Informationen aus dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des
Europäischen Parlaments von Sahra Wagenknecht, MdEP, Mitglied in der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL).

News from the Committee on Economic and Monetary Affairs (ECON)

23.06.2008

Freibrief für Sozialdumping
    Skandalöses Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen Luxemburg
Schallende Ohrfeige für die EU
    Zum Ausgang des irischen Referendums über den Vertrag von Lissabon
Hände weg vom VW-Gesetz
    Zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland
Die EZB - eine neoliberale Fehlkonstruktion
    Presseerklärung zum zehnten "Geburtstag" der Europäischen Zentralbank
Jeder hat das Recht auf ein Bankkonto!
Entschließung zum Retail-Bankgeschäft verabschiedet
    Parlament äußert leise Kritik an Wettbewerbspolitik der EU
Niedrigere Preise, mehr Auswahl und bessere Qualität?
    Zum Grünbuch über Finanzdienstleistungen im Binnenmarkt

Freibrief für Sozialdumping

Zum Urteil des EuGH gegen das Großherzogtum Luxemburg (Rechtssache C-319/06) erklärt Sahra Wagenknecht, Europaabgeordnete und Vorstandsmitglied der Partei DIE LINKE:

Die Kette der arbeitnehmerfeindlichen Urteile will nicht abreißen. Heute hat der Europäische Gerichtshof zum vierten Mal innerhalb weniger Monate eine skandalöse Entscheidung zugunsten der europäischen Konzerne und zu Lasten der Beschäftigten getroffen. Nach Ansicht des EuGH steht das luxemburgische Arbeitsrecht im Widerspruch zur Entsenderichtlinie und zur Dienstleistungsfreiheit und muss daher geändert werden. Wer Arbeitnehmer nach Luxemburg entsendet, ist laut EuGH nicht dazu verpflichtet, sich an das luxemburgische Arbeitsrecht zu halten, das eine automatische Anpassung der Löhne an die Lebenshaltungskosten, die Pflicht zur Einhaltung von Tariflöhnen sowie fortschrittliche Bestimmungen bzgl. bezahltem Urlaub, Zeitverträgen, Leih- oder Teilzeitarbeit u.a. vorsieht.

Dies ist nicht nur ein Angriff auf die luxemburgische Regierung, der das Recht zum Schutz aller in Luxemburg tätigen Beschäftigten abgesprochen wird. Es ist eine massive Attacke auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen in ganz Europa! Wie schon in den Fällen Laval, Viking Line und Rüffert hat der EuGH den Grundfreiheiten von Unternehmen Vorrang vor Grundrechten und sozialen Standards eingeräumt. Wieder einmal hat der EuGH den Versuch, gleiche Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten an einem Ort durchzusetzen, für illegal erklärt. Das ist nichts weiter als ein Freibrief für Sozialdumping.

Es sind Urteile dieser Art, die das Vertrauen der Menschen in die Europäische Union erschüttern. Und dieses Vertrauen wird auch durch billige Täuschungsmanöver nicht wieder hergestellt: Zwar hat man die Verkündung des heutigen Urteils extra um einen Monat verschoben, um den Gegnern des Lissabon-Vertrags in Irland keine weiteren Argumente zu liefern. Doch zum Glück hat sich eine Mehrheit der irischen Bevölkerung davon nicht beirren lassen und der unsozialen Politik der EU eine schallende Ohrfeige erteilt. An diesen Erfolg des irischen Referendums gilt es nun anzuknüpfen. Gemeinsam mit sozialen Bewegungen und Gewerkschaften muss für eine grundlegende Neuausrichtung der EU gekämpft werden. Das Diktat der Kapitalinteressen muss gebrochen und ein soziales und friedliches Europa neu gegründet werden, welches keine Volksabstimmung mehr zu fürchten brauchte.

Sahra Wagenknecht, 19. Juni 2008

Schallende Ohrfeige für die EU

Zum Ausgang des irischen Referendums über den Lissabonner Vertrag erklärt Sahra Wagenknecht, Europaabgeordnete und Vorstandsmitglied der Partei DIE LINKE:

Das Ergebnis des Referendums in Irland über den so genannten Reform-Vertrag ist ein eindeutiger Beleg dafür, dass die Menschen den Kurs der EU satt haben. Es beweist zudem, dass die Menschen sich nicht für dumm verkaufen lassen und sehr wohl in der Lage sind zu entscheiden, was sie wollen und was eben nicht – wenn man sie nur lässt.

Wenn es selbst der geballten Propagandamaschinerie der EU im einzigen Land, in dem ein Referendum stattfinden musste, nicht gelungen ist, die Irinnen und Iren von den angeblichen Vorzügen des Reformvertrags zu überzeugen, zeigt dies, wie groß das Misstrauen in die EU ist. Dass Volksabstimmungen nach dem negativen Ausgang der Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden auf Biegen und Brechen verhindert werden sollten, dürfte das Vertrauen in die EU so wenig gesteigert haben wie die Tatsache, dass politische Entscheidungen einzig deshalb verschoben wurden, um das Referendum in Irland bloß nicht zu gefährden.

Dass sogar die in den letzten Tagen kolportierten Katastrophenszenarien nicht dazu geführt haben, die Iren zu einem Ja zu bewegen, zeigt, dass die derzeitige EU-Politik bereits als hinreichende Katastrophe empfunden wird. Was Wunder angesichts einer Politik des Neoliberalismus und der militärischen Aufrüstung, die dazu führt, dass immer mehr Menschen in Europa auf der Verliererseite stehen, während die Gewinne der Großkonzerne immer schwindelerregendere Höhen erreichen!

Der Lissabon-Vertrag steht für genau diese Politik. Er verdiente es deshalb genauso wie der Verfassungsvertrag – den die Linke aus guten Gründen von Anfang an abgelehnt hat -, am Votum der Bevölkerung zu scheitern. Wer, wie die EU, vorgibt, Politik im Interesse der Menschen zu machen und gleichzeitig dafür sorgt, dass die Bevölkerung an den Entscheidungen möglichst nicht beteiligt wird, braucht sich über die Quittung nicht zu wundern. Mit dem heutigen Ergebnis muss der Versuch, Europa eine militaristische und neoliberale vertragliche Grundlage zu verordnen, nun endgültig beendet sein! Einen Plan C für das gescheiterte Projekt darf es nicht geben!

Der Ausgang des Referendums in Irland ist eine schallende Ohrfeige für die EU und ein eindeutiges Votum für eine andere, bessere Politik im Interesse der Menschen – eine Politik, die eine Volksabstimmung nicht zu fürchten brauchte.

Sahra Wagenknecht, 13. Juni 2008 

Hände weg vom VW-Gesetz

Zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland wegen des neuen VW-Gesetzes erklärt Sahra Wagenknecht, Europaabgeordnete und Vorstandsmitglied der Partei DIE LINKE:

Mit dieser Entscheidung hat die EU-Kommission endgültig die Schmerzgrenze überschritten. Angeblich verstößt auch das neue VW-Gesetz gegen die europäischen Verträge. Mit dieser Begründung hat die EU heute jedenfalls ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. So moniert die EU, dass dem Land Niedersachsen nach wie vor ein Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen eingeräumt wird.

Die Dreistigkeit, mit der die EU sich in die Angelegenheiten der Mitgliedstaaten einmischt und demokratische Rechte einfach wegzuwischen versucht, ist unerträglich geworden. Es handelt sich hier um einen Akt der kalten Enteignung, gegen den man nur entschlossen protestieren kann. VW ist kein Konzern wie jeder andere. Er wurde mit Geldern aufgebaut, welche die Nazis den Gewerkschaften entrissen hatten. Dass demokratisch gewählte Vertreter der Beschäftigten und des Landes Niedersachsen bei der Geschäftspolitik des Konzerns ein Wörtchen mit zu reden haben, sollte also mehr als selbstverständlich sein.

Die Bundesregierung steht jetzt in der Pflicht, das VW-Gesetz, das auf Druck der EU ja bereits deutlich verwässert wurde, entschlossen zu verteidigen. Bezeichnend ist das Agieren von Kommissionsvizepräsident Günter Verheugen in dieser Frage. Dass ausgerechnet ein Sozialdemokrat sich in einer so wichtigen Auseinandersetzung die Position des ultraliberalen Binnenmarktkommissars McCreevy zueigen macht und den Richterspruch des EuGH von Oktober 2007 noch restriktiver auslegt als die Bundesregierung, spricht Bände. Offensichtlich ist die Tätigkeit Verheugens in der EU-Kommission gleichbedeutend mit der Propagierung und Umsetzung neoliberaler Politik. Solange dieser Kurs weitergefahren wird, braucht man sich nicht darüber zu wundern, dass die EU immer mehr an Rückhalt in der Bevölkerung verliert.

Sahra Wagenknecht, 05. Juni 2008

Die EZB - eine neoliberale Fehlkonstruktion

Zum zehnjährigen Bestehen der Europäischen Zentralbank erklärt Sahra Wagenknecht, Abgeordnete des Europäischen Parlaments und Mitglied des Vorstands der Partei DIE LINKE:

Die Europäische Zentralbank, deren zehnjähriger Geburtstag heute gefeiert wird, ist eine neoliberale Fehlkonstruktion. Obwohl die Politik der EZB von großer Bedeutung für die Lebenssituation der Menschen in Europa ist, unterliegt sie keiner demokratischen Kontrolle. Laut Statut ist die Europäische Zentralbank unabhängig und allein dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet. Doch was bedeutet diese viel gerühmte "Unabhängigkeit" der EZB anderes als die komplette Abhängigkeit der europäischen Währungs- und Finanzpolitik von den Interessen des europäischen Finanzkapitals?

Wo die Politik nicht mitbestimmen darf, regieren die Finanzmärkte bzw. die europäischen Großbanken, Konzerne und Investmentgesellschaften eben direkt. Dies erklärt, warum die Vertreter der EZB regelmäßig an die Gewerkschaften appellieren, auf steigende Preise und unverschämte Profite der Konzerne gefälligst nicht mit entsprechenden Lohnforderungen zu reagieren. Dies erklärt auch, warum die EZB noch immer keine Initiative zur Regulierung der europäischen Finanzmärkte ergriffen hat. Obwohl die Finanzkrise sich immer weiter ausbreitet, vertraut man weiterhin auf die "Selbstregulierung" der Finanzmärkte. Dabei zeigt die Erfahrung, dass dies einer Einladung zur Selbstbedienung gleichkommt. Denn während man die Profite aus hochspekulativen Geschäften gern einsteckt, werden die Risiken und Verluste der Großbanken im Notfall von der öffentlichen Hand übernommen, d.h. dem Steuerzahler aufgebürdet.

Das makroökonomische Regime der EU basiert aber noch auf einer zweiten Fehlkonstruktion: Während man die Verantwortung für die Währungspolitik der EZB übertragen hat, sind für die Steuerpolitik weiterhin die Mitgliedstaaten allein zuständig. Resultat ist ein verschärfter Steuerwettbewerb, der vor allem Unternehmen und Reiche begünstigt, während Beschäftigte und Verbraucher einen immer größeren Teil der verbleibenden Steuerlast zu tragen haben. Durch diese neoliberale Fehlkonstruktion wird die Einnahmenbasis der öffentlichen Haushalte zerstört, was wiederum unsoziale Spar- und Privatisierungsprogramme nach sich zieht.

Statt oberflächliche Lobreden auf den Euro zu halten, sollte der zehnjährige Geburtstag der EZB zu einer kritischen Bilanz genutzt werden. Klar ist doch: Ohne eine grundlegende Revision der Währungs- und Finanzpolitik wird es kein soziales Europa geben! Die aktuelle Finanzkrise sollte daher als Chance genutzt werden, wichtige Institutionen wie die EZB demokratischer Kontrolle zu unterstellen – im Interesse der Beschäftigten, der Arbeitslosen sowie der Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa.

Sahra Wagenknecht, 02. Juni 2008

Jeder hat das Recht auf ein Bankkonto!

Zur Abstimmung im Europäischen Parlament über den Bericht zum Retail-Bankgeschäft erklärt Sahra Wagenknecht, Abgeordnete des Europäischen Parlaments und Mitglied im Vorstand der Partei DIE LINKE:

Im heute vom Europäischen Parlament verabschiedeten Bericht über den Wettbewerb im Retail-Bankgeschäft sind dank meiner Initiative im Ausschuss für Wirtschaft und Währung zwei wichtige Positionen verankert worden: Zum einen hat das Parlament bestätigt, dass gerade Sparkassen und Genossenschaftsbanken einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung der lokalen Wirtschaft leisten und den Zugang zu Finanzdienstleistungen für alle Verbraucher erleichtern. Zum anderen wird klar gestellt, dass der Zugang zu grundlegenden Finanzdienstleistungen, wie der Eröffnung eines Bankkontos, ein grundlegendes Recht darstellt.

Nach einer aktuellen Studie der EU-Kommission hat jeder fünfte Erwachsene in der EU kein Bankkonto. In Osteuropa sind sogar ein Drittel der Bürger von jeglichen Bankgeschäften ausgeschlossen. Auch in Deutschland wächst die Zahl der Menschen, denen ein Girokonto verwehrt und damit die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben fast unmöglich gemacht wird. Denn ohne Girokonto hat man kaum eine Chance, eine Wohnung zu mieten, eine Arbeit zu finden, einen Telefonanschluss zu bekommen oder eine Versicherung abzuschließen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Dass die Anzahl der Menschen ohne Girokonto, die sich in Deutschland auf etwa 550.000 beläuft, nicht noch höher liegt, ist vor allem auf die Existenz von Sparkassen und Genossenschaftsbanken zurückzuführen, die im Gegensatz zu privaten Banken nicht allein dem Prinzip der Profitmaximierung verpflichtet sind. Umso skandalöser ist es, dass die EU-Kommission die Privatisierung und Kommerzialisierung öffentlicher Banken immer weiter vorantreibt. Hier zeigt sich die ganze Perversität der europäischen Wettbewerbspolitik: Gesetze, die dem Expansionsdrang und dem Profitinteresse von privaten Großbanken im Weg stehen könnten, werden sukzessive abgeschafft. Dass dies zur immer stärkeren Dominanz weniger privater Großbanken führt und damit mehr und mehr Menschen von grundlegenden Dienstleistungen ausgegrenzt werden, kümmert die EU-Kommission einen feuchten Dreck.

Die heutige Entscheidung des Europäischen Parlaments sendet ein deutliches Signal an die EU-Kommission, ihre unsäglichen Angriffe auf öffentliche Banken und Genossenschaftsbanken endlich einzustellen. Außerdem wird die Kommission aufgefordert, die Hindernisse zu identifizieren und zu beseitigen, die der Ausübung des Rechts auf ein Bankkonto im Weg stehen. Die Eröffnung und Führung eines Girokontos darf keinem Menschen verwehrt werden, nur weil er arm oder überschuldet ist! Nun gilt es, dieses Recht in allen EU-Mitgliedstaaten praktisch durchzusetzen.

Sahra Wagenknecht, 05. Juni 2008

Entschließung zum Retail-Bankgeschäft verabschiedet

Mit einer Mitteilung hat die Europäische Kommission auf den Abschlussbericht über die Untersuchung des Retail-Bankgeschäfts reagiert. Berichterstatter für den Ausschuss für Wirtschaft und Währung war der der PSE angehörende italienische Abgeordnete Gianni Pitella. Das Europäische Parlament nahm den von ihm vorgelegten Bericht auf seiner Sitzung am 5. Juni 2008 an.

Vergleicht man diesen Bericht mit dem ähnlich gelagerten des konservativen Abgeordneten Karas zum Grünbuch über Finanzdienstleistungen für Privatkunden im Binnenmarkt, erkennt man leicht, dass der Bericht von Pitella deutlich kritischer ausgefallen ist. So wird etwa die europäische Wettbewerbspolitik nicht ausschließlich positiv gesehen. In Paragraph 3 heißt es dazu etwa, "dass das Streben nach mehr  Wettbewerb ... weder zu einer Schwächung des Risikomanagements im Bankensektor noch zu einer Gefährdung der Stabilität dieses Sektors führen darf, der für die Weltwirtschaft von entscheidender und strategischer Bedeutung ist."

Noch deutlicher wird die Entschließung in Paragraph 2, wo die Kommission offen dafür kritisiert wird, dass sie in ihrer Untersuchung des Retail-Bankgeschäfts "den Besonderheiten des streng reglementierten Bankensektors und der Bedeutung der Kultur, der Gewohnheiten und der  Sprache bei der Auswahl von Finanzprodukten durch die Verbraucher und deren Schutz nur unzureichend Rechnung trägt;" So vertritt das Parlament die Auffassung, "dass die mangelnde Mobilität der Verbraucher in der Europäischen Union oft durch das langfristige Vertrauensverhältnis, das sich zwischen Bank  und Verbraucher herausbildet, bedingt ist" und zeigt sich "besorgt darüber,  dass sich die Bewertung der Marktintegration durch die Kommission auf zu  wenige wirtschaftliche Indikatoren stützt und sie daher die Merkmale des  Retail-Bankgeschäfts möglicherweise nicht ordnungsgemäß widerspiegelt".

Im Sinne eines stärkeren Verbraucherschutzes spricht sich die Entschließung dafür aus, dass "bei der Kündigung von Konten nur begründete Gebühren erhoben werden oder vollständig auf Gebühren verzichtet wird" (Paragraph 8). Positiv zu werten ist auch die Forderung, dass der Verbraucher "bei der grenzüberschreitenden Kreditdatenabfrage von jeder ihn  betreffenden Abfrage informiert werden muss" (Paragraph 20). Im Bericht gibt es aber auch durchaus problematische Aussagen, so etwa die weitgehend unkritische Bezugnahme auf SEPA (Einheitlicher Europäischer Zahlungsraum) im Abschnitt Zahlungssysteme.

Ein Erfolg für die Fraktion der Linken im EP (GUE/NGL) stellt die Annahme von zwei ihrer Änderungsanträge bereits bei der Abstimmung im Ausschuss für Wirtschaft und Währung dar. So konnte erreicht werden, dass die Forderung nach dem jedem zustehenden Recht zur Eröffnung eines Bankkontos (Paragraph 10) im Text verankert wurde. Auch die Würdigung der positiven Rolle von Sparkassen und Genossenschaftsbanken (Paragraph 24) ging auf eine Initiative der Fraktion der Linken zurück. Der Entschließung konnte daher die Fraktion der Linken am Ende ihre Zustimmung geben.

(aw, lk)

Niedrigere Preise, mehr Auswahl und bessere Qualität?

In Ihrem Grünbuch untersucht die Kommission Wege und Mittel, um die Integration des Retail-Marktes für Finanzdienstleistungen weiter voranzutreiben. Ganz auf der Linie der Kommission liegt auch die Entschließung des Parlaments vom 5. Juni 2008 zu diesem Grünbuch. Sie beruht auf einem Bericht des konservativen österreichischen Abgeordneten Othmar Karas. Damit hatte der Ausschuss für Wirtschaft und Währung einen besonderen Experten zu seinem Berichterstatter in dieser Angelegenheit gemacht, war doch Karas von 1981-1995 Manager in der Banken- und Versicherungswirtschaft und ist stellvertretender Generalsekretär der Bundesländer-Versicherung.

Ganz im Sinne des Grünbuches fordert Karas, und ihm folgend das Europäische Parlament, eine Erleichterung des grenzüberschreitenden Zugangs zum Retail-Markt für Finanzdienstleistungen. Dem neoliberalen Glauben entsprechend sollen so "niedrigere Preise, eine größere Auswahl und eine verbesserte Qualität" (Paragraph 13) erreicht werden. Dass die EU-Wettbewerbspolitik in der Praxis zu wachsender Konzentration im Bankensektor führt und damit das genaue Gegenteil - nämlich höhere Preise bei schlechterer Qualität - bewirkt, wird dabei schlicht ignoriert.

Einer kompletten Öffnung des Retail-Marktes für den Wettbewerb stehen derzeit noch "die unterschiedlichen Vorschriften und die unterschiedliche Praxis der nationalen Aufsichtsbehörden für grenzüberschreitende Anbieter von Finanzdienstleistungen" im Wege. Sie führen angeblich "zu hohen Kosten und zu Rechtsunsicherheit" (Paragraph 20). Davon, dass der Abbau solcher Aufsichtsregelungen bei Finanzgeschäften nicht wenig zur Entstehung der Hypothekenkrise in den USA beigetragen hat, scheint hingegen das Europäische Parlament noch nichts gehört zu haben. Da setzt man doch lieber auf die "Selbstregulierung der Finanzdienstleistungsindustrie". Die Finanzdienstleistungsindustrie wird dem entsprechend aufgefordert, "den Zielen des Grünbuchs durch Selbstregulierung gezielt zuzuarbeiten und damit die Notwendigkeit von Rechtsvorschriften zu verringern" (Paragraph 11). Und wenn es dann am Ende für den Verbraucher schief läuft, so ist er gemäß der Entschließung des EP selbst schuld, da "sich alle Marktteilnehmer, auch Verbraucher und Investoren, voll und ganz des grundlegenden Finanzmarktprinzips bewusst sein müssen, demzufolge jede Möglichkeit auf höheren Gewinn einhergeht mit einem höheren Risiko und dass das Risiko unverzichtbarer Bestandteil eines funktionierenden Finanzmarkts ist" (Paragraph 33).

Ganz im Interesse der Finanzindustrie fordert das Parlament, dass "Kreditinstituten und Kreditdatenvermittlern ein diskriminierungsfreier grenzüberschreitender Zugang zu Kredit- und Betrugsdatenregistern verschafft" wird. Die Banken werden "ermutigt, die verfügbaren Informationen über Kreditdaten insbesondere im Hinblick auf eine Erleichterung der Kundenmobilität zu nutzen, was seinerseits einen gesunden Wettbewerb begünstigen würde". Wie gleichzeitig "jedoch ein optimaler Schutz der Verbraucherdaten ebenso wie das Recht der Verbraucher, ihre persönlichen Daten einzusehen und nötigenfalls zu korrigieren, gewährleistet" werden soll - darauf gibt die Entschließung keine Antwort.

Es bleibt anzumerken, dass sowohl Sozialdemokraten als auch Grüne ohne Ausnahme bei der Endabstimmung dieser neoliberalen und rückwärtsgewandten Entschließung ihre Zustimmung gaben. Die Linke votierte hingegen geschlossen mit Nein.

(aw, lk)

Redaktion

Impressum

Sahra Wagenknecht

MdEP, Koordinatorin für die Fraktion GUE/NGL im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments

Parlament Européen
Rue Wiertz, ASP 6F258
B-1047 Brüssel
Belgien
fon: +32-2-284 56 19
fax: +32-2-284 96 19

Newsletter verwalten

Wenn Sie diesen Newsletter nicht mehr erhalten möchten, schicken Sie einfach eine E-Mail.