Informationen aus dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des
Europäischen Parlaments von Sahra Wagenknecht, MdEP, Mitglied in der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL).

News from the Committee on Economic and Monetary Affairs (ECON)

27.03.2008

Wenn Banker nach dem Staat rufen..
    Schlussfolgerungen aus der Finanzkrise
Kapitalverkehr kontrollieren!
    Auch die Bundespolitik ist verantwortlich für Steuerflucht
Die Folgen von Liberalisierung und Privatisierung in Europa
    Forschungsbericht von PIQUE veröffentlicht
Rekommunalisierung statt Privatisierung
    Konferenz am 19. April in Leipzig
Transparenz und Kontrolle von Hedgefonds und Private Equity?
    Kontroverse Diskussion über Arbeitspapier im ECON-Ausschuss
Mit Mindeststeuern gegen Tanktourismus
    Das Europäische Parlament spricht sich für eine Erhöhung von Mindeststeuersätzen für Dieselkraftstoff aus
EU-Subventionen für Nokia?
    Antwort der EU-Kommission vom 18.03.08 auf die Schriftliche Anfrage von Sahra Wagenknecht vom 24.01.08

Wenn Banker nach dem Staat rufen..

Schlussfolgerungen aus der Finanzkrise

Die US-amerikanische Hypothekenkrise spitzt sich weiter zu. Obwohl die amerikanische Zentralbank den Geldhahn immer weiter aufdreht und den Leitzins am 18. März auf 2,25 Prozent gesenkt hat, können immer mehr Haushalte in den USA ihre Hypothekenkredite nicht bedienen. Etwa 2 Millionen Häuser stehen zum Verkauf; in Florida, Nevada und Kalifornien sind die Immobilienpreise um bis zu 30 Prozent eingebrochen. Schätzungen zufolge dürften 10 bis 15 Millionen Haushalte Hypothekenschulden haben, die den Wert der Immobilie übersteigen (vgl. NZZ vom 23.03.08, S. 35).

Wie der Zwischenbericht über Finanzmarktstabilität des ECOFIN-Rates an den Europäischen Rat vom 04. März festhält, besteht nach wie vor "Unsicherheit über das Ausmaß und die Verteilung weiterer Verluste insgesamt. Gleichzeitig gibt es erste Anzeichen für ein Übergreifen auf andere Kreditmärkte."

Zwar hat sich die Situation auf den Finanzmärkten in den letzten Tagen wieder etwas entspannt nachdem die Investmentbank JP Morgan den Kaufpreis für die bankrotte Investmentbank Bear Stearns deutlich erhöht hatte. Die im ECOFIN-Zwischenbericht genannten Schätzungen, die die Gesamtverluste aus der Finanzkrise auf 130 Mrd. Euro beziffern, dürften trotzdem deutlich zu niedrig gegriffen sein. So geht die Investmentbank Goldman Sachs davon aus, dass die Banken wegen der Subprime-Krise insgesamt 460 Mrd. US$ abschreiben müssen (vgl. FTD, 26.03.08, S.27). Und nicht nur die Banken sind von der Krise betroffen. Prof. Nouriel Roubini schätzt, dass ein 10-prozentiger Rückgang der US-Immobilienpreise (relativ zum Höchststand) das Vermögen der privaten Haushalte in den USA um etwa 2 Billionen US$ reduzieren wird. Fallen die Immobilienpreise um 30 Prozent, ist mit Verlusten von 6 Billionen US$ zu rechnen, was 42 Prozent des Bruttosozialprodukts der USA entspräche (vgl. Financial Times vom 11. März 2008). Im letzten Jahr sind die Häuserpreise in den 20 größten US-Metropolen bereits um 10,7% eingebrochen - ein Trend, der sich in diesem Jahr fortsetzen wird.

Kein Wunder, dass Finanzexperten wie Prof. Bofinger von der schwersten Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg sprechen und selbst der Chef der Deutschen Bank das Vertrauen in die "Selbstheilungskräfte des Marktes" verloren hat und nun nach staatlicher Hilfe für die angeschlagenen Banken ruft (vgl. Deutschlandfunk vom 22.03.08).

Dabei sind schon jetzt Verluste in gewaltigem Umfang sozialisiert, d.h. der Allgemeinheit aufgebürdet worden. So hat die amerikanische Zentralbank angekündigt, den US-Banken einen Teil ihrer prekären Immobilienanleihen abkaufen bzw. gegen sichere Anleihen eintauschen zu wollen. In Großbritannien wurde die angeschlagene Bank Northern Rock kurzerhand verstaatlicht.

Auch in Deutschland muss die öffentliche Hand inzwischen für Risiken in mehrstelliger Milliardenhöhe geradestehen. Allein die Rettung der IKB kostete bislang 8,6 Mrd. Euro, wobei der größte Teil der diversen Rettungspakete vom Bund und der KfW finanziert wurde. Zur Sanierung der WestLB hat sich das Land NRW im Februar bereit erklärt, Risiken im Wert von bis zu 4 Mrd. Euro zu übernehmen, d.h. im Notfall muss auch hier der Steuerzahler für die Verluste aufkommen (vgl. SZ vom 09. Februar 2008). Auch das Land Sachsen muss mit 2,75 Mrd. Euro für mögliche Verluste der Sachsen LB bürgen, die jetzt von der LBBW übernommen wird.

Aus der Tatsache, dass ausgerechnet öffentlich-rechtliche Banken wie die Sachsen LB oder die West LB mit dubiosen Immobiliengeschäften so hohe Verluste eingefahren haben, wird oft der Schluss gezogen, dass private Banken den Herausforderungen globalisierter Finanzmärkte und hochkomplexer Finanzprodukte besser gewachsen seien. Mitunter wird gar die Privatisierung von öffentlichen Banken gefordert, da man angeblich nur so die Verluste für die öffentliche Hand begrenzen könnte.

Dabei ist das Gegenteil richtig: Die außerhalb jeder Kontrolle agierenden Finanzkonzerne müssen endlich wieder demokratischen Spielregeln unterworfen werden - und dies ist nur bei öffentlich-rechtlichen oder genossenschaftlich organisierten Banken möglich! Auch wenn sich die Geschäftspraxis einiger Landesbanken kaum noch von derjenigen privater Banken unterscheidet und auch von demokratischer Kontrolle nicht immer die Rede sein kann, so bilden doch die Sparkassen, Landesbanken und Genossenschaftsbanken noch immer ein wichtiges Gegengewicht zur undemokratischen, zentralisierten Macht internationaler Großbanken und Investmentfonds. Diese Bankengruppen gilt es daher zu stärken und gegen Angriffe seitens der EU-Kommission zu verteidigen. Um Krisen à la Berliner Bankgesellschaft, West LB oder Sachsen LB in Zukunft zu vermeiden, sollten die Landesbanken gleichzeitig dazu verpflichtet werden, ihre Geschäftstätigkeit auf die Region bzw. auf die Versorgung mittelständischer Unternehmen auszurichten. Dagegen sollten ihnen riskante Spekulationen auf den globalen Finanzmärkten gänzlich verboten werden.

Sahra Wagenknecht

Kapitalverkehr kontrollieren!

Auch die Bundespolitik ist verantwortlich für Steuerflucht

Artikel von Sahra Wagenknecht, erschienen in "Neues Deutschland" am 29.02.08

Am 28. Februar hätte die deutsche Regierung Gelegenheit gehabt zu beweisen, dass es ihr mit dem Kampf gegen Steuerhinterziehung tatsächlich ernst ist. Die Innenminister der EU berieten über den Beitritt Liechtensteins zum Schengener Abkommen, dem sie schließlich ihren Segen erteilten. Statt Sanktionen gegen Länder zu verhängen, die ihren Reichtum den laxen Steuergesetzen und einem strengen Bankgeheimnis verdanken, werden die Grenzkontrollen zum Fürstentum Liechtenstein jetzt aufgehoben, was den Transport von Geld am Fiskus vorbei künftig noch einfacher machen dürfte.

Die Entscheidung zeigt vor allem eins: Dass der öffentlichen Hand jährlich weit über 50 Mrd. Euro durch Steuerflucht ins Ausland verloren gehen, ist nicht allein der Existenz von Steueroasen geschuldet. Vielmehr nutzen diese nur alle Möglichkeiten konsequent aus, die ihnen von den Regierungen der EU-Staaten eingeräumt werden. Auch moralische Empörung über das Verhalten der Oberen Zehntausend, die sich mit unzähligen Tricks ihrer Steuerpflicht zu entziehen suchen, hilft nicht weiter. Stattdessen sollten endlich wirksame Maßnahmen gegen Steuerflucht und Steuerhinterziehung ergriffen werden.

Eine Politik, die dem Problem der Steuerhinterziehung durch eine Amnestie für Steuersünder oder die immer weitergehende Senkung von Steuersätzen auf Zins- und Kapitaleinkünfte beikommen will, kann angesichts des aktuellen Steuerskandals jedenfalls als gescheitert gelten. Davon unbeeindruckt plant die Bundesregierung für 2009 die Einführung einer Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge, die nicht nur zu einer weiteren Entlastung von Vermögensmillionären beitragen wird, sondern außerdem dafür sorgt, dass Kapitaleinkünfte künftig nicht einmal mehr in der Steuererklärung offen gelegt werden müssen. Finanzämter und Steuerfahnder werden dann bei ihrer Suche nach flüchtigen Steuermilliarden noch weniger Anhaltspunkte haben.

Was wäre stattdessen zu tun? Sinnvoll wäre zum einen die radikale Reform eines Steuersystems, das - was die Besteuerung von Kapitaleinkünften betrifft - einem Schweizer Käse gleicht. Statt die Steuerberatungsbranche durch immer komplexere Steuergesetze zu fördern, sollte die Bundesregierung lieber sicherstellen, dass Großverdiener und Vermögensbesitzer endlich wirksam kontrolliert werden.

Auf europäischer Ebene sollte sich die Bundesregierung für eine Reform der Zinsrichtlinie stark machen. Sie muss so verändert werden, dass alle Kapitaleinkünfte angeben werden und die Informationspflicht von Privatpersonen auf Stiftungen, Unternehmen und andere juristischen Personen ausgedehnt wird. Es muss endlich Schluss gemacht werden mit einer Politik, die dem „freien Kapitalverkehr" huldigt. Die Energie, mit der man auf den Konten von Hartz-IV Empfängern nach Spargroschen schnüffelt, sollte in die Überwachung von großen Finanztransaktionen gesteckt werden. Vor allem der grenzüberschreitende Kapitalverkehr muss endlich kontrolliert und ein umfassendes Informationssystem aufgebaut werden, welches über sämtliche Zins- und Kapitaleinkommen Aufschluss gibt.

Die Folgen von Liberalisierung und Privatisierung in Europa

Das von der EU geförderte Forschungsprojekt PIQUE, das sich mit der Privatisierung öffentlicher Dienste und ihren Folgen beschäftigt (PIQUE = Privatisation of Public Services and the Impact on Quality, Employment and Productivity) hat einen ersten Forschungsbericht veröffentlicht. Er basiert auf 24 Studien aus sechs EU-Ländern (Österreich, Belgien, Deutschland, Polen, Schweden und Großbritannien), in denen jeweils die Liberalisierungs- und Privatisierungsprozesse in den Bereichen Energie, Post, ÖPNV und Gesundheit/Krankenhäuser untersucht worden sind.

Der Bericht stellt fest, dass die Liberalisierung von Dienstleistungen keineswegs immer zu mehr Wettbewerb geführt hat. So hatte die Liberalisierung des Energiesektors in Deutschland, Belgien oder Schweden zur Folge, dass zahlreiche lokale Anbieter von den Großen in der Branche geschluckt worden sind. Auch die Liberalisierung des ÖPNV führte sowohl in Großbritannien als auch in Schweden zu einem deutlichen Rückgang der lokalen Busunternehmen; in Großbritannien sind beispielsweise nur noch sechs große Busunternehmen übriggeblieben, wobei allein die drei größten die Hälfte des Marktes beherrschen.

Vergleicht man die verschiedenen Länder miteinander, so kann man zwar einerseits feststellen, dass vor allem Großbritannien und Schweden zu den "Vorreitern" bei der Privatisierung öffentlicher Dienste zählen, während Österreich und Polen die einzigen Länder sind, in denen öffentliche Unternehmen in allen vier untersuchten Bereichen noch eine dominante Rolle spielen. Allerdings sind zwei der untersuchten Bereiche - Krankenhäuser und Post - auch in Großbritannien noch überwiegend in öffentlicher Hand. Dagegen hat Deutschland mehr Krankenhäuser an private Investoren verkauft als andere Länder und - im Gegensatz etwa zu Österreich oder Belgien - auch die Mehrheit der Anteile an der Deutschen Post verkauft. Und obwohl man sich bei der Postliberalisierung auf eine "Universaldienstverpflichtung" einigte, sind in den letzten Jahren in Deutschland etwa 40 Prozent aller Postämter geschlossen worden.

Es wäre zu wünschen, dass die EU-Kommission die von ihr geförderten Forschungsergebnisse zur Kenntnis und zum Anlass nimmt, die bisherige Liberalisierungspolitik zu überdenken.

(lk)

Rekommunalisierung statt Privatisierung

Durch die Liberalisierungspolitik der EU und leere öffentliche Kassen geraten immer mehr Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge unter Druck. Doch der Unmut über die Ergebnisse der Privatisierungspolitik wächst: Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung wollen beispielsweise, dass die Deutsche Bahn in öffentlichem Eigentum bleibt. Bei einem Bürgerbegehren in Leipzig sprachen sich Ende Januar 2008 fast 150.000 Menschen, das waren 87,4 Prozent der abgegebenen Stimmen, für den Erhalt kommunalen Eigentums aus. Und immer mehr Städte denken über die Rekommunalisierung öffentlicher Aufgaben nach.

Am 19. April von 10 bis 17 Uhr findet im Neuen Rathaus in Leipzig eine Konferenz der Linksfraktion im Europäischen Parlament GUE/NGL statt, die sich mit der Frage beschäftigt, wie sich der wachsende Liberalisierungs- und Privatisierungsdruck in den Kommunen auswirkt und wie ihm begegnet werden kann. Unter welchen Bedingungen können Bürgerbegehren zum Erhalt der kommunalen Daseinsvorsorge erfolgreich sein? Wie kann man Privatisierungen wieder rückgängig machen? Was kann man tun, um den Protest gegen die Privatisierungspolitik europaweit zu stärken?

Referieren werden Annelie Buntenbach (DGB-Vorstand, angefragt), Sahra Wagenknecht (MdEP), Herdolor Lorenz (Regisseur des Films „Bahn unterm Hammer“), Prof. Günter Rausch (Freiburger Bündnis "Wohnen ist Menschenrecht"), Asbjörn Wahl (Attac Norwegen), Dr. Ilse Lauter (Fraktionsvorsitzende DIE LINKE, Leipzig), Dr. Andrej Holm (HU Berlin), Mike Nagler (Bürgerinitiative „Stoppt den Ausverkauf unserer Stadt“) u.v.a.

Interessierte sind herzlich eingeladen. Um Anmeldung unter sahra.wagenknecht-assistant2@europarl.europa.eu wird gebeten.

Transparenz und Kontrolle von Hedgefonds und Private Equity?

Mit der Diskussion eines Arbeitspapiers des Berichterstatters Poul Nyrup Rasmussen begann der ECON- Ausschuss auf seiner Sitzung am 25. März 2008 mit der Beratung einer Initiative zu Hedgefonds und Private Equity. Eine erste Anhörung von Experten dazu hatte am 22. November 2007 stattgefunden.

Mit seiner Initiative für einen Bericht über dieses hochbrisante Thema reagiert der  Ausschuss für Wirtschaft und Währung auf die demonstrative Unwilligkeit des zuständigen Kommissars Charlie McCreevy, in dieser Angelegenheit in irgendeiner Form überhaupt legislativ aktiv zu werden. McCreevy hatte mehrfach vor dem Europäischen Parlament erklärt, dass er nicht daran denke, in dieser Angelegenheit für die Kommission etwas vorzulegen. Dementsprechend findet sich diese Fragestellung auch nicht in der kürzlich vorgelegten Politischen Strategie der Europäischen Kommission für 2009.

Da das Europäische Parlament aber selbst über kein Initiativrecht verfügt und daher gesetzlichen Vorschläge nicht machen kann  - dies wird übrigens auch nach Annahme des Lissabonner Vertrags nicht anders sein - kann es mit diesem Bericht lediglich versuchen, einen gewissen politischen Druck auszuüben. Man wird sehen, ob er ausreichen wird, um Rat und Kommission aus der Reserve zu locken.

Mit der Ausarbeitung des Berichts wurde mit  Poul Nyrup Rasmussen ein prominenter Sozialdemokrat beauftragt, handelt es sich doch bei Rasmussen um den früheren dänischen Premierminister und heutigen Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Europas. 

In einer Debatte über sein Arbeitspapier am 25. März wurden die unterschiedlichen politischen Fronten zwischen den verschiedenen Lagern bereits sichtbar. Konservative und Liberale stellten den offenkundigen Zusammenhang zwischen den katastrophalen Auswirkungen der Finanzmarktkrise und den Aktivitäten von Hedgefonds und Private Equity schlicht in Abrede. Man kann daher gespannt sein, was das Parlament am Ende beschließen wird.

Der Fahrplan für die weitere parlamentarische Behandlung sieht wie folgt aus: Präsentation des Berichtsentwurfs am 5. Mai 2008, Abstimmung im Ausschuss für Wirtschaft und Währung am 25. Juni 2008 und die Entscheidung darüber wird das Europäische Parlament in seiner Juli- bzw. September-Sitzung treffen.

(aw)     

Mit Mindeststeuern gegen Tanktourismus

Fahren um zu tanken, oder tanken um zu fahren? Dies fragt man sich unwillkürlich, sieht man die langen Schlangen von LKWs vor Luxemburgs Tankstellen. Dort wird nicht nur vollgetankt, nein, es werden auch jede Menge Kanister und sogar eingebaute Zusatztanks aufgefüllt. Dass mancher Fahrer Hunderte von zusätzlichen Kilometern zurücklegt, nur um den Umweg über Luxemburg zu machen, stört dabei nicht. Die Kostenersparnis ist für das jeweilige Fuhrunternehmen immer noch beträchtlich. Dafür sorgen vor allem die deutlich geringeren Steuern für Dieselkraftstoff im Großherzogtum. Ähnlich billig ist der Diesel auch in den neuen Mitgliedsländern. Und so fahren die Trucker von dort nach Westeuropa hin und zurück, lediglich mit einem Tankstop in Luxemburg. Dem Fiskus in den auf dem Weg liegenden Staaten, in denen deutlich höhere Steuern für Dieselkraftstoff verlangt werden, entgehen derweil beträchtliche Einnahmen. Allein für Deutschland schätzt man den Verlust auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag. Schlimm sind aber auch die Umweltbelastungen, die durch die Umwege Jahr für Jahr entstehen. Man schätzt, dass zehntausende Kilometer auf diese Weise sinnlos verfahren werden. Und schließlich wird dem LKW-Verkehr mit solch niedrigen Dieselsteuern noch ein weiterer Konkurrenzvorsprung gegenüber Bahn und Schiff eingeräumt.

Es war also an der Zeit, dass sich die Europäische Kommission mit diesem Missstand beschäftigt, schließlich geht es hier um einen Fall von Wettbewerbsverzerrung und auch um die Chance, den Energieverbrauch in der EU ein wenig zu senken. Ein Instrument hat die Kommission hier mit der Richtlinie 2003/96/EG in der Hand, in der es um "Sonderregelungen für die Besteuerung gewerblich genutzten Gasöls und der Koordinierung der Besteuerung von unverbleitem Benzin und Gasöl" geht. Ein Vorschlag zur Änderung der Richtlinie wurde 2007 von der Kommission vorgelegt.

Darin wird eine Erhöhung der Mindeststeuern von heute 302 € pro 1.000 Liter in zwei Jahresschritten auf 380 € in 2014 verlangt. Für die Mitgliedsländer mit gegenwärtig deutlich niedrigeren Steuersätzen sind Übergangsfristen vorgesehen. Da es der Kommission auch um eine Angleichung des Mindeststeuersatzes von Dieselkraftstoff an den von unverbleitem Benzin geht, soll auch dieser auf 380 € erhöht werden. Das würde in vielen Mitgliedsländern auf eine deutliche Erhöhung der Mineralölsteuer und damit auf höhere indirekte Steuern für Jedermann hinauslaufen.

Das Europäische Parlament, das in dieser Angelegenheit allerdings nur ein Konsultationsrecht besitzt, fordert hingegen eine Erhöhung der Mindeststeuern für beide Kraftstoffarten auf nur einheitliche 359 € statt 380 € und das auch erst ab 2015. Damit würde die Erhöhung der Mineralölsteuer auch für unverbleites Benzin nicht so drastisch ausfallen. Die Fraktion der Linken konnte dieser legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments ihre Zustimmung geben. Die Grünen hatten vergeblich deutlich höhere Mindeststeuersätze gefordert und damit auch für höhere indirekte Steuern plädiert. Es bleibt zu erwähnen, dass die konservative Luxemburger Abgeordnete Astrid Lulling gegen jegliche Erhöhung von Mindeststeuern eintrat. Auch eine Erhöhung von Mindeststeuersätzen für alkoholische Produkte (siehe Newsletter von Juli 2007) hatte sie ja schon - und dies seinerzeit ebenfalls vergeblich -abgelehnt. Der nationale (hier: Luxemburger) Rock ist eben näher als das europäische Hemd.

(aw)

 

EU-Subventionen für Nokia?

Am 24. Januar hatte Sahra Wagenknecht die folgende Schriftliche Anfrage an die Europäische Kommission eingereicht:

1) Sind in den letzten sieben Jahren Fördermittel der Europäischen Union nach Bochum geflossen, die direkt oder indirekt der Firma Nokia am Standort Bochum zugute kamen? Falls ja, um welche und um wie viele Fördermittel handelt es sich?

2) Sind in den letzten fünf Jahren Fördermittel der Europäischen Union in den Landkreis Cluj (Rumänien) geflossen, die direkt oder indirekt der Firma Nokia zugute kommen könnten? Falls ja, um welche und um wie viele Fördermittel handelt es sich? Kann die Kommission ausschließen, dass europäische Fördermittel für den Aufbau des Industrieparks "Nokia Village" verwendet worden sind?

3) Wie stellt die Kommission sicher, dass die Mittel aus den Struktur- oder Kohäsionsfonds von den EU-Mitgliedstaaten nicht zur Subvention einzelner Firmen verwendet werden und damit den Wettbewerb in der EU verzerren?

4) Ist die Kommission der Ansicht, dass die Geschäftsleitung von Nokia ihren Verpflichtungen gemäß der EBR-Richtlinie 94/45 EG sowie der Richtlinie über Information und Konsultation der Arbeitnehmer 2002/14/EG im Hinblick auf die Entscheidung, den Standort in Bochum zu schließen, korrekt nachgekommen ist? Falls nein, was gedenkt die Kommission zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die Rechte von Beschäftigten und Betriebsräten bei Unternehmensentscheidungen zur Standortverlagerung künftig beachtet werden?

5) Kann die Kommission bestätigen, dass der Bundesrepublik Deutschland für die Beschäftigten von Nokia in Bochum Mittel aus dem Globalisierungsfonds zur Verfügung stehen?

Am 18. März 2008 hat EU-Kommissarin Danuta Hübner im Namen der EU-Kommission auf die Schriftliche Anfrage reagiert (wobei sie sich allerdings um eine konkrete Antwort auf die Fragen 4 und 5 herumgedrückt hat...)

Hier die Antwort der EU-Kommission:

"Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist ein vorrangiges Anliegen der Kommission, die aktiv Strategien fördert, um die negativen Auswirkungen von wirtschaftlichem Wandel und industrieller Umstrukturierung auf die Arbeitnehmer – vor allem die benachteiligten und am wenigsten qualifizierten – zu mildern. Deshalb wurde zusätzlich zu den bereits bestehenden sozialpolitischen Instrumenten wie dem Europäischen Sozialfonds und anderen Strukturfonds der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung eingerichtet. Ferner wurde das Flexicurity-Konzept vorgeschlagen, um Arbeitskräfte in einer Übergangsphase zu unterstützen und ihnen durch aktive Arbeitsmarktmaßnahmen zu einem neuen Arbeitsplatz zu verhelfen, und um die Zeit der Arbeitslosigkeit so kurz wie möglich zu halten. Die Kommission will die Arbeitnehmer im Bedarfsfall aktiv dabei unterstützen, neue und bessere Arbeitsplätze zu finden. Sie möchte auch daran erinnern, wie wichtig es ist, die europäischen und nationalen Vorschriften im Falle von Massenentlassungen einzuhalten, insbesondere was die Information und Anhörung der Arbeitnehmervertreter anbelangt. Wie immer ist auch hier der soziale Dialog das entscheidende Instrument, um den Arbeitnehmern ihre Lage so weit wie möglich zu erleichtern.

Zur potenziellen finanziellen Unterstützung des Standorts Cluj (Rumänien) durch die Europäische Union möchte die Kommission auf Erwägung 42 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates über die Strukturfonds verweisen: die Gemeinschaftsfinanzierung darf nicht zu Standortverlagerungen führen.

Im entsprechenden vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) finanzierten und von der Kommission genehmigten operationellen Programm verpflichteten sich die rumänischen Behörden ausdrücklich, dass die Kofinanzierung durch den Strukturfonds nicht zu Standortverlagerungen führen wird. Der Kommission liegt eine eindeutige Verpflichtung der rumänischen Behörden und der Verwaltungsbehörden des Programms vor, dass nach Standortverlagerungen keine EFRE-Gelder an Nokia oder andere Unternehmen fließen dürfen. Laut Informationen der Kommission hat Nokia für den Standort Cluj keine Regionalmittel beantragt. Rumänien hat zwar staatliche Beihilfen geleistet, doch werden keine Mittel aus dem EFRE oder dem Kohäsionsfonds für die grundlegende Infrastruktur und den Zugang zum Industriestandort und Gewerbegebiet in Cluj, Nokias neuem Standort in Rumänien, gewährt. Auch flossen keine PHARE-Gelder.

Laut Informationen der deutschen Behörden wurden für das Nokia-Werk in Bochum nur staatliche Beihilfen bereitgestellt, jedoch keine EFRE-Mittel. Die staatlichen Beihilfen unterliegen Kontrollen, um sicherzustellen, dass nicht mittels unlauterer Anreize Standortverlagerungen gefördert werden. In den Leitlinien für Regionalbeihilfen der Kommission werden objektive Regeln festgelegt, um u. a. sicherzustellen, dass sich die Mitgliedstaaten keinen Beihilfewettlauf liefern, um sich gegenseitig Investitionen abzujagen. So müssen sich Unternehmen, die Regionalbeihilfen erhalten, verpflichten, mindestens fünf Jahre lang am selben Standort tätig zu sein und die mithilfe der Regionalbeihilfen geschaffenen Arbeitsplätze auch mindestens fünf Jahre lang aufrecht zu erhalten. Derzeit ist nicht klar, ob die staatlichen Beihilfen für Nokia gemäß den Vorschriften der EU für staatliche Beihilfen getrennt angemeldet werden müssen. Eine solche Notifizierung liegt bislang nicht vor. Die Kommission hat die rumänischen Behörden aufgefordert, sachdienliche Informationen zu übermitteln, anhand derer überprüft werden kann, ob die in Verbindung mit den Aktivitäten von Nokia gewährten Beihilfen diesen Regelungen entsprechen.

Zum Schluss möchte die Kommission noch ganz allgemein darauf hinweisen, dass sich die Erweiterung insgesamt positiv auf alle europäischen Volkswirtschaften auswirkt.

Es stimmt, dass Investitionen nun von Deutschland nach Rumänien verlagert werden können – ebenso aber auch von Finnland nach Deutschland. Trotzdem ändert sich nichts an der Tatsache, dass der Binnenmarkt und die Modernisierung infolge der Erweiterung in ganz Europa zur Schaffung neuer Arbeitsplätze führen – in den alten wie in den neuen Mitgliedstaaten."

Redaktion

Impressum

Sahra Wagenknecht

MdEP, Koordinatorin für die Fraktion GUE/NGL im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments

Parlament Européen
Rue Wiertz, ASP 6F258
B-1047 Brüssel
Belgien
fon: +32-2-284 56 19
fax: +32-2-284 96 19

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