Informationen aus dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des
Europäischen Parlaments von Sahra Wagenknecht, MdEP, Mitglied in der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL).

News from the Committee on Economic and Monetary Affairs (ECON)

29.04.2009

Hegdefonds und Leerverkäufe müssen verboten werden
    Presseerklärung von Sahra Wagenknecht vom 29.04.09
Öffentliche Kontrolle statt Selbstregulierung
    Rede von Sahra Wagenknecht im Europäischen Parlament am 22.04.09
Stabilisiertes Finanzkapital
    Artikel von Sahra Wagenknecht in der Tageszeitung "junge welt" vom 16.04.09
Nichts gelernt!
    Rat, Kommission und Europäisches Parlament einigen sich auf Aufsichtsregeln über Ratingagenturen
Solvabilität II
    Parlament nimmt Regeln zum Risikomanagement bei Versicherungen an
Mehr Mittel zur Stützung der Zahlungsfähigkeit von in Schwierigkeiten geratenen Mitgliedstaaten...
    ...aber auch mehr Kontrolle durch die EU
Zinsbesteuerungsrichtlinie gilt künftig auch für Einkünfte aus Stiftungen
    Grüne und sozialdemokratische Abgeordnete aus Luxemburg und Österreich verteidigen das Bankgeheimnis ihrer Länder
Große Koalition der Selbstzufriedenen...
    ...begrüßt magere Ergebnisse des G-20 Gipfels

Hegdefonds und Leerverkäufe müssen verboten werden

Presseerklärung von Sahra Wagenknecht zu den Vorschlägen der EU-Kommission zur „Regulierung“ von Hedgefonds

Es wird höchste Zeit, dass die EU-Kommission abdankt. Sie hat nicht nur durch ihre unsägliche Deregulierungspolitik dazu beigetragen, dass eine gigantische Finanzblase entstehen konnte. Nun weigert sie sich auch noch, die nötigen Schlussfolgerungen aus der Krise zu ziehen. Zwar sollen die Manager von Hedgefonds in Europa künftig einer Zulassungspflicht unterliegen, sofern sie mehr als 100 Millionen Euro verwalten. Die Fonds selbst sollen jedoch nicht reguliert werden, sondern dürfen künftig sogar europaweit Gelder für ihre spekulativen Geschäfte einsammeln.

"Würde zuviel Transparenz die Hegde-Fonds nicht töten?" jammerte der für die Richtlinie zuständige Binnenmarktkommissar McCreevy bereits im Dezember letzten Jahres. Dies mag durchaus sein. Schließlich besteht das Geschäftsmodell dieser Fonds seit jeher darin, mit geliehenem Geld hochriskante spekulative Geschäfte zu tätigen, deren eigentliche Profiteure im Hintergrund bleiben. Damit dies so bleiben kann, werden die Handlungsspielräume der Fonds auch durch die geplante Richtlinie kaum eingeschränkt. So dürfen Hedgefonds weiterhin in großem Stil Leerverkäufe tätigen, wobei sie sich der Zulassungspflicht durch Aufspaltung in kleinere Einheiten problemlos entziehen können. Und für die große Mehrzahl der Hedgefonds, die in Steueroasen angesiedelt sind, soll die Richtlinie frühestens in fünf Jahren gelten.

Nun wird es auf die Regierungen und das Parlament ankommen: Der dreiste Vorschlag von McCreevy muss zurückgewiesen und eine neue Richtlinie erarbeitet werden. Dabei sollte es nicht nur um etwas mehr Transparenz und ein paar neue Regeln gehen. Sowohl Hedgefonds als auch Leerverkäufe gehören verboten – in Deutschland und europaweit.

Öffentliche Kontrolle statt Selbstregulierung

Rede von Sahra Wagenknecht am 22.04.09 zu den im Europäischen Parlament debattierten Vorschlägen zu Ratingagenturen und zur Versicherungs- und Rückversicherungstätigkeit  (Solvabilität II)

"So wie die öffentliche Sicherheit oder der Umweltschutz ist auch die Stabilität der Finanzmärkte ein öffentliches Gut, das der öffentlichen Kontrolle bedarf. Wer die Regulierung der Finanzmärkte den privaten Großbanken, Versicherungen, Hedgefonds oder Ratingagenturen überlässt, geht das Risiko ein, dass gigantische Summen verspekuliert werden und die Allgemeinheit für die Verluste aufkommen muss. Doch obwohl diese Krise nur zu deutlich gezeigt hat, dass die freiwillige Selbstregulierung gescheitert ist, hält die EU-Kommission unbeirrt an diesem Konzept fest. Statt riskante Finanzprodukte zu verbieten und der Finanzbranche klare Regeln vorzugeben, werden auch künftig private Akteure selbst darüber entscheiden können, welche Risiken sie eingehen und wie diese zu bewerten sind. Statt zum Beispiel die Auslagerung des Risikomanagements an private Rating-Agenturen wie Moody`s oder Standard & Poor`s zu beenden und eine gebührenfinanzierte öffentliche Ratingagentur zu schaffen, sollen die Rating-Agenturen lediglich ein bisschen besser überwacht werden. Und bei der Neufassung der Richtlinie zu Solvabilität II will man es den Versicherungen gestatten, auf hochkomplexe interne Modelle der Risikobewertung zurückzugreifen, die von der Finanzaufsicht kaum überprüft werden können.

Sowohl bei Solvency II als auch bei Basel II wird die Linksfraktion darauf drängen, dass interne Risikomodelle außer Betracht gelassen werden und die Eigenkapital- und Solvenzkapitalanforderungen deutlich angehoben werden. Da dies einige Banken oder Versicherungen vor große Probleme stellen wird, treten wir dafür ein, dass eine solche Aufstockung des Eigenkapitals durch staatliche Beteiligungen erfolgt, die mit einem entsprechenden Einfluss auf die Geschäftspolitik verbunden sind. Eine solche Teilverstaatlichung wäre ein mutiger erster Schritt, der zur Neuausrichtung der Finanzbranche am Gemeinwohl genutzt werden könnte. Allerdings ist die Linksfraktion der Ansicht, dass auf lange Sicht der gesamte Finanzsektor in öffentliche Hände überführt und die Geschäftspolitik der Banken und Versicherungen demokratisch gesteuert werden muss. Denn nur durch eine solche Vergesellschaftung kann gewährleistet werden, dass die Finanzbranche ihrem öffentlichen Auftrag nachkommt statt sich auf der Suche nach immer höheren Renditen auf den globalen Finanzmärkten zu verzocken."

Stabilisiertes Finanzkapital

Analyse. Die US-Regierung scheint mit dem endlosen Geldfluß in den Finanzmarkt die Blasenökonomie wiederzubeleben. Eine mögliche Inflation könnte sogar helfen, die ­gigantischen inländischen und Auslandsschulden zu senken

Zwar gehörte die Fähigkeit zu übereinstimmenden Prognosen noch nie zu den Eigenschaften, mit denen die Ökonomenzunft sich hervorzutun pflegte. Aber so viel Divergenz wie bei der Vorhersage der für die nächsten Jahre zu erwartenden Preisentwicklung war selten. Warnen die einen vor den Gefahren einer verheerenden Deflationsspirale, die die wirtschaftliche Depression weiter verschlimmern und um Jahre verlängern würde, sehen die anderen eine Welle galoppierender Inflation auf die Welt zurollen, die den Wert vor allem des Dollar in absehbarer Zeit untergraben könnte. Die Spannbreite der für 2011 vorhergesagten Inflationsraten reicht von unter zwei bis über fünf Prozent, wobei interessanterweise vor allem die Extreme – entweder sehr niedrige oder sehr hohe Inflation – prognostiziert werden. Werte zwischen zwei und fünf Prozent, also das in den letzten Jahren Übliche, erwarten die wenigsten.

Unmittelbarer Auslöser der Unsicherheit ist die eskalierende Staatsverschuldung insbesondere der Vereinigten Staaten und die kreative Geldpolitik, zu der die US-amerikanischen Zentralbank Fed übergegangen ist, seit ihre Leitzinsen den Null-Prozent-Boden erreicht haben und damit der Spielraum traditioneller Zinspolitik ausgeschöpft ist. Normalerweise kanalisieren die Zentralbanken Liquidität durch sogenannte Repo-Geschäfte in das Bankensystem. Das läuft so, daß die Banken bei der Zentralbank bestimmte Wertpapiere als Sicherheit hinterlegen müssen und im Gegenzug für eine gewisse Zeit zu einem festgelegten Zinssatz Bares erhalten. Was die Banken mit dem so erhaltenen Geld anfangen und zu welchem Zinssatz sie es weiterverleihen, ist ihr Ding. In jedem Fall müssen die bei der Zentralbank hinterlegten Wertpapiere von ihnen nach Ablauf der festgelegten Frist wieder zurückgekauft werden.

Und genau hier liegt der Haken dieses Verfahrens. Da die Banken ihre fragwürdigen Papiere so nicht loswerden und also in erster Linie an ihren kranken Bilanzen herumkurieren, geben sie sich in der Weitergabe der von den Zentralbanken so billig bereitgestellten Liquidität zugeknöpft. Entsprechend wurden auch in den USA trotz Nullzinspolitik der Fed die Kreditkonditionen für Unternehmen und Haushalte immer schlechter und die langfristigen Zinsen stiegen eher als daß sie gesunken wären.

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Nichts gelernt!

Rat, Kommission und Europäisches Parlament einigen sich auf Aufsichtsregeln über Ratingagenturen

Mit der Annahme des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates am 23. April 2009 über Ratingagenturen einigten sich Rat, Kommission und Parlament auf einen Kompromiss.

Positiv an der Neuregelung ist, dass zukünftig die Beratung von Unternehmen und die anschließende Bewertung der von ihnen entwickelten Finanzprodukte durch ein und dieselbe Ratingagentur nicht mehr möglich sein sollen. Mit Hilfe eines komplizierten Rotationsverfahrens innerhalb der Agenturen soll zudem zukünftig ausgeschlossen sein, dass sich eine all zu große Nähe zwischen Agentur und Kunden entwickelt. Außerdem müssen Ratingagenturen, die ihren Sitz außerhalb der EU haben, zukünftig nachweisen, dass sie diese Bedingungen erfüllen.       

Doch all dies sind nur unzureichende Schritte in die richtige Richtung. Eine zentrale, europäische Aufsicht über Ratingagenturen wird es auch in Zukunft nicht geben. Überwacht werden sie auch weiterhin von den nationalen Aufsichtsbehörden. Damit bleibt der erzielte Kompromiss in einer entscheidenden Frage hinter den Empfehlungen der Fachgruppe um den ehemaligen Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Jacques de Larosière, zur Reform der Finanzmärkte zurück. Wie auch bei der Neuregelung über die Aufsicht der Versicherungsunternehmen (Solvency II) war es nicht möglich, sich auf europäische Aufsichtsbehörden zu einigen. Es zeigt sich abermals, dass sich in der Krise die nationalen Gegensätze innerhalb der EU nicht vermindern sondern verstärken.          

Die jetzt erzielte Regelung korrigiert aber vor allem nicht den alten Strukturfehler, der darin besteht, dass die Ratingagenturen ausgerechnet von jenen Unternehmen bezahlt werden, über deren Finanzprodukte sie entscheiden. Deshalb waren ja ihre Expertisen in der Vergangenheit so wenig wert. Unzählige gutgläubige Anleger wurden denn auch durch ihre geschönten Bewertungen hinter das Licht geführt.

In Änderungsanträgen zum Entschließungsentwurf hatte daher die Fraktion der Linken gefordert, eine öffentliche europäische Ratingagentur zu schaffen, die aus Gebühren finanziert wird und damit tatsächlich unabhängig über die Qualität von Wertpapieren urteilen kann. Die Linksfraktion ist der Ansicht, dass sämtliche Ratings von öffentlichen Akteuren vorgenommen werden müssen, die der demokratischen Kontrolle unterliegen. All diese Anträge wurden aber abgelehnt. Die Mehrheit des Parlaments zeigte damit einmal mehr ihre Unwilligkeit, die notwendigen Schlussfolgerungen aus der Krise zu ziehen. Man hat dort nichts gelernt.

(aw)

Solvabilität II

Parlament nimmt Regeln zum Risikomanagement bei Versicherungen an

Nach langen Verhandlungen nahm das Europäische Parlament am 22. April eine Entschließung zur Neufassung der Richtlinie zur Solvabilität von Versicherungsunternehmen an, mit der das 30 Jahre alte EU-Versicherungsrecht einer grundlegenden Reform unterzogen wird. Wie die Banken sind auch Versicherungen dazu verpflichtet, ihr Geschäft mit Eigenkapital zu hinterlegen. Während die Höhe der nötigen Eigenmittel bislang nach festen Formeln errechnet wurde - kombiniert mit Höchstgrenzen, wie viel in Aktien und anderen Risikopapieren angelegt werden darf - hat man sich bei der Neufassung der Richtlinie Solvabilität II an einem "risikobasierten" Ansatz orientiert, wie er auch bei dem Regelwerk für Banken (Basel II) Anwendung findet.

Problematisch an diesem Ansatz ist zum einen, dass er es den Versicherungen gestattet, auf interne Modelle zur Berechnung des nötigen Solvenzkapitals zurückzugreifen. Statt den Versicherungen strenge Obergrenzen vorzugeben, wie viel Prozent ihres Eigenkapitals sie in riskante Finanzprodukte investieren dürfen bzw. derartige Investitionen ganz zu untersagen, setzt man also weiterhin auf das gescheiterte Konzept der "Selbstregulierung", indem man es den Versicherungskonzernen gestattet, durch hochkomplizierte interne Berechnungsmodelle das nötige Solvenzkapital möglichst klein zu rechnen. Von dieser Möglichkeit werden vor allem große Versicherungskonzerne Gebrauch machen, da kleinere Unternehmen gar nicht über die hierzu nötigen personellen und materiellen Ressourcen verfügen. Durch diese Wettbewerbsverzerrung wird das Insolvenzrisiko für kleinere Versicherungen zunehmen und die Konzentration zu Lasten der Verbraucher weiter vorangetrieben. Dabei wird der europäische Versicherungsmarkt schon jetzt von wenigen großen Konzernen wie der Allianz, Generali oder Axa dominiert. Hinzu kommt, dass die Überwachung der internen Modelle sehr aufwändig ist und sich die Frage stellt, ob die Aufsichtsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten überhaupt in der Lage sind, die komplizierten internen Modelle hinreichend nachvollziehen und prüfen zu können.

Ebenfalls hochproblematisch ist, dass sowohl die Mindestkapital- als auch die Solvenzkapitalanforderungen viel zu gering bemessen sind. Denn was bedeutet eine Ruinwahrscheinlichkeit von 0,5 Prozent oder „einmal in 200 Jahren“? Sie bedeutet, dass der Käufer einer Lebensversicherung mit einer (durchaus üblichen) Laufzeit von 50 Jahren damit rechnen muss, dass sein Unternehmen mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% in die Insolvenz gerät. Ein Insolvenzrisiko von einem Viertel halten wir für viel zu hoch – zumal die Verbraucher ihre Versicherungsverträge in der Regel nicht ohne Nachteile kündigen können. Da eine Verschärfung der Solvenz- und Eigenkapitalanforderungen in der Krise prozyklisch wirken und viele Versicherungen (sowie die Banken) überfordern würde, müsste eine entsprechende Aufstockung des Eigenkapitals durch staatliche Beteiligungen erfolgen, die es dem Staat außerdem ermöglichen würden, auf die Geschäftspolitik der Institute Einfluss zu nehmen. Von einer solchen Lösung wollte allerdings weder die Kommission noch eine Mehrheit des Europäischen Parlaments etwas wissen.

Der strittigste Punkt bei den Verhandlungen über Solvabilität II betraf die Frage, wer für die Aufsicht der grenzüberschreitend tätigen Versicherungskonzerne zuständig sein soll. Dies verweist auf eine grundlegende Fehlkonstruktion bei der Integration der europäischen Finanzmärkte: Statt auf eine Harmonisierung der Aufsichtsstrukturen, der Einlagensicherung und des Verbraucherschutzes zu drängen, bevor man es den Konzernen gestattet, ihre Produkte in ganz Europa zu vertreiben, hat man den Schwerpunkt allein auf die Liberalisierung und Deregulierung von Märkten gesetzt. Dies rächt sich in der Krise, da völlig unklar ist, wer die Kosten dafür trägt, wenn ein grenzüberschreitend tätiger Finanzkonzern in Probleme gerät. Sowohl die EU-Kommission als auch der Berichterstatter Peter Skinner haben sich für das Modell der Gruppenunterstützung (Group Support) stark gemacht, was die Aufsichtsbehörden am Heimatsitz der Unternehmen gestärkt und es den Konzernen gestattet hätte, ihre EU-Töchter mit einem Minimum an Kapital zu betreiben. Gegen dieses Modell sind jedoch zahlreiche EU-Länder Sturm gelaufen, da sie die Kontrolle über Niederlassungen ausländischer Konzerne nicht verlieren wollten. Schließlich hat die Krise bewiesen, dass man sich nicht darauf verlassen kann, dass der Mutterkonzern in schwierigen Zeiten auch für die Unternehmenstöchter im Ausland ausreichend Kapital bereitstellt.

Nach dem erzielten Kompromiss erhält der Heimataufseher des Landes, in dem die Konzernmutter sitzt, nun weniger Kompetenzen als ursprünglich von der EU-Kommission vorgesehen. Zwar schließen sich die nationalen Aufsichtsbehörden in einem Aufsichtskollegium zusammen; die wichtigste Entscheidung - wie viel Kapital für die Mutter und jede Tochtergesellschaft hinterlegt werden muss - bleibt jedoch Sache der nationalen Behörden. Allerdings soll im Jahr 2015 ein neuer Anlauf auf die so genannte Gruppenunterstützung genommen werden. Die neue Richtlinie Solvabilität II, deren Verabschiedung durch den ECOFIN-Rat am 5. Mai nur noch als Formsache gilt, soll hingegen schon ab 2012 für alle Versicherer in Europa gelten.

(lk)

Mehr Mittel zur Stützung der Zahlungsfähigkeit von in Schwierigkeiten geratenen Mitgliedstaaten...

...aber auch mehr Kontrolle durch die EU

Die weltweite Krise bringt immer mehr Mitgliedsländer der Europäischen Union in Haushaltschwierigkeiten. Nach Ungarn und Lettland ist es jetzt Rumänien, das um Hilfe nachsucht. Und mit Sicherheit wird es nicht bei diesen drei EU-Ländern  bleiben. Erhielten Ungarn 6,5 und Lettland 3,1 Milliarden Euro aus Brüssel, so wollen die EU-Finanzminister auf ihrem nächsten Treffen am 5. Mai 2009 beschließen, Rumänien bis zu 5 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen.

Der für solche Zwecke vorgesehene Kapitalbetrag für Darlehen an Mitgliedsländer außerhalb des Euroraums (geregelt in der Verordnung Nr. 332/2202 vom 18.02.2002 zur Umsetzung von Artikel 118 EG-Vertrag) war im Jahr 2002 von 16 auf 12 Mrd. Euro gesenkt worden. Da mit dem Inkrafttreten des Euro die Mitgliedstaaten innerhalb der Eurozone von diesem Stützungsfonds nicht mehr Gebrauch machen können, ging man damals davon aus, den Plafond absenken zu können. Die Erweiterung der EU 2004 um Staaten, die bis heute außerhalb der Eurozone sind, vor allem aber die aktuelle Wirtschaftskrise erfordern aber ein Umdenken. Im Zusammenhang mit der Gewährung von Hilfen für Ungarn war die Höchstsumme Ende 2008 bereits auf 25 Milliarden Euro angehoben worden. Mit der jetzt von der Kommission vorgeschlagenen Änderung der Verordnung wird der Betrag nun auf 50 Milliarden Euro verdoppelt. Offensichtlich will man in Brüssel für künftige Haushaltsschwierigkeiten weiterer Mitgliedsstaaten ausreichend gerüstet sein. Mit einer Entschließung vom 24. April 2009 hat das Europäische Parlament seine Zustimmung zu dieser Änderung gegeben.

Diese Hilfen zur "Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten" werden aber nicht ohne Bedingungen gewährt. Schon bisher mussten die Empfängerländer ein Sanierungsprogramm vorlegen, um "eine tragbare Zahlungsbilanzsituation wiederherzustellen oder zu gewährleisten". Mit der nun erfolgten Änderung der Verordnung werden diese Auflagen verschärft. Zukünftig unterzeichnen "Kommission und der betroffene Mitgliedsstaat eine Absichtserklärung über die vom Rat festgelegten Bedingungen" (Artikel 3a des Verordnungsvorschlags KOM(2009)169). Auch müssen sich die Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, zukünftig "uneingeschränkt mit der Kommission zusammenzuarbeiten" (so der neugefasste Artikel 5 der Verordnungsvorschlags KOM(2009)169). Mit anderen Worten: Die finanzpolitischen Daumenschrauben werden angezogen.

Die Europäische Union bestimmt demnach mit der Gewährung "finanziellen Beistands" direkt bei der Formulierung der Haushaltspolitiken von in Not geratenen Mitgliedsstaaten mit. Bisher bestehende nationale Souveränitätsrechte werden auf dieses Weise ausgehebelt. Die Europäische Kommission nimmt sich dabei Rechte heraus, wie sie sie bisher nur der Internationale Weltwährungsfonds (IWF) besitzt. Mit seinen gefürchteten Strukturanpassungsprogrammen verpflichtet der IWF im Gegenzug für Kredite regelmäßig die betroffenen Staaten zu drastischen Sparmaßnahmen vor allem bei den Sozialleistungen. Ziel ist dabei immer, die Schuldner anzuhalten ausstehende Kredite termingemäß in voller Höhe an die Gläubiger in den reichen Ländern zurückzuzahlen. Wie das konkret im Fall Rumäniens aussieht, hat EU-Währungskommissar Joaquin Almunia bereits verkündet. Das Haushaltdefizit darf dort im laufenden Jahr 5,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukt nicht überschreiten. 2011 muss das Defizit wieder unter die Maastrichter Marke von 3 Prozent fallen. Man sieht: Mit Hilfe des "finanziellen Beistands" bekommt die Kommission ein sehr viel effektiveres Instrument zur Verpflichtung der Mitgliedsstaaten auf Einhaltung der Masstrichtkriterien in die Hand als es die regelmäßig erfolglosen Defizitverfahren wegen Verletzung der Stabilitätskriterien sind. Doch dieses neue Instrument ist nur gegen die in Haushaltsnot geratenen Länder einsetzbar. Reichere Länder mit vergleichbar hohen Defiziten bleiben hingegen verschont.  

Unerwähnt bleibt in der Regel, dass die von einer Haushaltsnotlage betroffenen Länder keineswegs allein verantwortlich für ihre Situation sind. So ist es kein Geheimnis, dass Ungarn erst durch die Auflösung von Guthaben österreichischer Banken im Nachbarland aus dem Gleichgewicht geriet. Bereits in seiner Entschließung vom November 2008 hatte daher das Europäische Parlament die Kommission aufgefordert, eine Analyse der "Auswirkungen des Verhaltens von Banken vorzulegen, die ihre Vermögenswerte aus den in jüngster Zeit beigetretenen Mitgliedstaaten transferiert haben". Bislang wurde eine solche Analyse aber nicht präsentiert. In seiner Entschließung vom 24. April 2009 wiederholt denn nun das Parlament in Paragraph 2 seine Forderung. Man darf gespannt darauf sein, ob die Studie nun endlich vorgelegt wird.

Gefordert wird vom Parlament auch, dass es "über die Absichtserklärungen unterrichtet wird, die zwischen der Kommission und den betroffenen Mitgliedstaaten abgeschlossen werden und in denen die Bedingungen für die Darlehen im Detail aufgeführt werden" (Paragraph 12 der Entschließung). Auch hier darf man gespannt darauf sein, ob und wann dies geschieht, denn mit Sicherheit hat die Kommission kein Interesse zu offenbaren, wie ihre auferlegten Bedingungen zu drastischen Kürzungen auch in den Sozialhaushalten der betroffenen Länder führen und damit sehr denen des IWF ähneln.

(aw)

Zinsbesteuerungsrichtlinie gilt künftig auch für Einkünfte aus Stiftungen

Die spektakulären Ermittlungen gegen deutsche Prominente wegen Steuerbetrugs im Februar 2008, begangen in Liechtenstein, offenbarten erhebliche Rechtslücken in der europäischen Zinsbesteuerungsrichtlinie. So ist es heute möglich, die Richtlinie zu umgehen, wenn zwischengeschaltete Anlageformen (juristische Personen, wie etwa Stiftungen, oder Rechtsvereinbarungen) genutzt werden. Aufgrund des starken öffentlichen Drucks wurden jetzt von der Kommission Änderungen der Richtlinie vorgeschlagen, mit der diese Umgehungsmöglichkeiten zukünftig ausgeschlossen werden.

Die Zinsbesteuerungsrichtlinie wurde 2003 verabschiedet. Sie gilt für die Mitgliedstaaten seit dem 1. Juli 2005. Mit Andorra, Liechtenstein, Monaco, San Marino und die Schweiz wurden Abkommen geschlossen, um sie auch dort anzuwenden. Sie gilt auch für zehn abhängige bzw. assoziierte Gebiete der Niederlande und des Vereinigten Königreichs. Durch diese Richtlinie ist es den Mitgliedstaaten möglich, Zinszahlungen, die in ihrem Gebiet wohnhafte natürliche Personen von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Finanzinstituten erhalten, entsprechend ihrer inländischen Steuervorschriften zu besteuern. Um dies zu erreichen, sieht die Zinsbesteuerungsrichtlinie eine automatische Auskunftserteilung über diese Zahlungen vor.

Während eines Übergangszeitraums wenden jedoch Österreich, Belgien und Luxemburg anstelle der Auskunftserteilung eine Quellensteuer an. Sie teilen diese Einnahmen hieraus mit dem Wohnsitzmitgliedstaat des wirtschaftlichen Eigentümers. Doch die Einnahmen aus dieser Quellensteuer blieben enttäuschend gering, so dass schon lange die Forderung besteht, diese besondere Regelung für die drei Länder abzuschaffen. Das Parlament hat sich jetzt dafür ausgesprochen, die Ausnahmebestimmung spätestens 2014 auslaufen zu lassen. Es folgte damit dem Vorschlag des Berichterstatters, der französische Sozialist Benoit Hamon. Damit würde für die Bürgerinnen und Bürger anderer Staaten das von Belgien, Österreich und Luxemburg so sorgsam gehütete Bankgeheimnis wegfallen. Aufgrund des Festhaltens an diesem Bankgeheimnis waren die drei Staaten erst kürzlich auf die graue Liste der Steueroasen der OECD gesetzt worden. 

Doch gegen den Wegfall der Quellenbesteuerung regte sich Widerstand im Parlament. Im Änderungsantrag 28 zum Bericht wurde die Möglichkeit einer dauerhaften Anwendung des Systems der Quellensteuer gefordert. Der Antrag wurde in namentlicher Abstimmung bei 87 Ja-Stimmen, 282 Nein- Stimmen und 27 Enthaltungen klar abgelehnt. Eingebracht worden war er von den konservativen Abgeordneten Astrid Lulling aus Luxemburg und Othmar Karas aus Österreich. Von besonderem Interesse ist, dass diese Forderung von den grünen Abgeordneten Johannes Voggenhuber (Österreich) und Claude Turmes (Luxemburg) unterstützt wurde. Auch die österreichischen Sozialdemokraten Hannes Swobada und Jörg Leichtfried waren dafür. Da sitzt im konkreten Fall ganz offensichtlich das nationale, egoistische Hemd eben näher als das ansonsten gern zur Schau gestellte progressive Bekenntnis! Andere sozialdemokratische Abgeordnete wie Robert Goebbels (Luxemburg) und Harald Ettl (Östereich) nahmen an den Abstimmungen erst gar nicht teil. Das hinderte Ettl aber nicht daran, in einer Presseerklärung vom 24. April 2004 folgendes mitzuteilen: "Wir haben uns gemeinsam mit luxemburgischen Abgeordneten dafür eingesetzt, diesen Punkt aus dem Bericht zu streichen. Leider fand der Antrag zur Beibehaltung des Quellensteuersystems keine Mehrheit im Plenum des Europäischen Parlaments". Doch für Ettl geht der Kampf weiter. Er setzt dafür auf den Rat: "Das Abstimmungsergebnis bedeutet keinerlei rechtliche Verpflichtung für den Rat. Da der in Steuerangelegenheiten nur einstimmig Beschlüsse fassen kann, kann Österreich das Ende des Bankgeheimnisses trotzdem verhindern. Wir haben im Parlament das nötige Signal gesetzt, leider wurde unsere Initiative nicht angenommen ", so der Sozialdemokrat Ettl abschließend.

(aw)

Große Koalition der Selbstzufriedenen...

...begrüßt magere Ergebnisse des G-20 Gipfels

Das Selbstlob der EU-Kommission kannte wie üblich kaum Grenzen. Die EU sei als "Vorreiterin im Feldzug gegen laxe Bankenpraktiken" und "treibende Kraft bei Maßnahmen der G-20" in Erscheinung getreten, lobte die Kommission in einer Presseerklärung zum G20-Gipfel vom 02.04.09. Bei der Debatte im europäischen Parlament am 23.04.09 schloss sich eine große Mehrheit der Abgeordneten dieser positiven Einschätzung sowohl der Ergebnisse des G20-Gipfels als auch der europäischen Rolle in diesem Prozeß an.

Zwar enthält die von der konservativen, liberalen, sozialdemokratischen sowie der rechten Fraktion UEN gemeinsam eingebrachte Entschließung auch leise Kritik an den Gipfelergebnissen. Zum Beispiel wird darauf hingewiesen, dass "das Ungleichgewicht der Weltwirtschaft, das der Finanzkrise zugrunde liegt, auf dem G20-Gipfeltreffen nicht thematisiert wurde" (Paragraph 9). Einhellig begrüßt wird allerdings der von der Gruppe der Zwanzig vorgelegte "Globale Plan für Wiederaufschwung und Reform" (Paragraph 1) einschließlich des zentralen Übereinkommens, "zusätzlich 832 Mrd. EUR für den IWF und andere Finanzinstitutionen sowie die Handelsfinanzierung bereitzustellen" (Paragraph 6). Ferner wird in der Entschließung betont, "wie wichtig ein schneller und erfolgreicher Abschluss der Doha-Runde ist", um "Handel und Investitionen weltweit weiter zu fördern" (Paragraph 28 der Resolution).

Die Linksfraktion konnte sich dieser unkritischen Position nicht anschließen und hat daher eine eigene Resolution eingebracht, in der zunächst einmal darauf hingewiesen wird, dass die EU durch ihre neoliberale Politik der Finanzmarktliberalisierung, durch die Umverteilung von unten nach oben sowie den blinden Glauben an die Selbstregulierung des Finanzsektors zur jetzigen Krise erheblich beigetragen hat. Auch dass es dem G20-Gipfel nicht gelungen ist, ein umfassendes weltweites Konjunkturpaket zu schnüren, um der Krise entgegenzuwirken, ist vor allem dem Widerstand der EU-Staaten zuzuschreiben (Paragraph 2).

Die Stärkung des IWF wird von der Linksfraktion ebenfalls abgelehnt, da dieser die Kreditvergabe nach wie vor an unzumutbare Auflagen (Kürzungen bei den Löhnen und Renten, Schrumpfung des öffentlichen Sektors, Einschränkungen bei der Gesundheitsversorgung etc.) knüpft, wie die jüngsten Kredite an Lettland oder Ungarn bewiesen haben (Paragraph 6). Statt auf einen ehrgeizigen Abschluss der Doha-Welthandelsrunde zu drängen wie die EU und die G20 fordert die Linksfraktion eine grundlegende Reform des Welthandelssystems sowie die "Aussetzung der Verhandlungen über die staatliche Auftragsvergabe, Rechte des geistigen Eigentums sowie über die Liberalisierung von Investitionen und Dienstleistungen, da sie im ausschließlichen Interesse der Industrienationen liegen, die Erbringung öffentlicher Dienste untergraben und die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität bedrohen" (Paragraph 15 der Resolution).

Schließlich wird in der Resolution der Linksfraktion darauf hingewiesen, dass die G20 nicht das richtige Forum sind, um die Agenda für die weltweite Wirtschafts- und Finanzpolitik festzulegen, da ärmere Entwicklungsländer dort nicht repräsentiert sind. Die EU sollte lieber den Vorschlag der UN-Kommission zur Reform des Finanz- und Währungssystems unter Leitung des Wirtschaftswissenschaftlers Joseph Stiglitz aufgreifen, der die Institution der G20 durch einen neuen Weltwirtschaftsrat ersetzen will. Auch der IWF ist nicht geeignet, als globaler "Krisenmanager" zu fungieren, da seine Politik nach wie vor von den großen Industrieländern bestimmt wird. Statt die Kriegskasse des IWF mit Steuergeldern aufzufüllen, sollte ein neues weltweites Reservesystem geschaffen werden, "das den Entwicklungsländern auf regelmäßiger Grundlage Unterstützung leisten und keinem Veto durch die Industrieländer unterliegen würde" (Paragraph 7 der Resolution).

(lk)

Redaktion

Impressum

Sahra Wagenknecht

MdEP, Koordinatorin für die Fraktion GUE/NGL im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments

Parlament Européen
Rue Wiertz, ASP 6F258
B-1047 Brüssel
Belgien
fon: +32-2-284 56 19
fax: +32-2-284 96 19

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