Informationen aus dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des
Europäischen Parlaments von Sahra Wagenknecht, MdEP, Mitglied in der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL).

News from the Committee on Economic and Monetary Affairs (ECON)

31.01.2007

Über diesen Newsletter
Europa braucht andere Prioritäten
    Kritik der Agenda der deutschen EU-Ratspräsidentschaft
Armut und Reichtum in Europa
    Konferenz zum 15. Jahrestag des EU-Vertrags von Maastricht
Über den Tisch gezogen
    Zur Petition über öffentliche Dienstleistungen
Fauler Kompromiss im Sparkassenstreit
    In Berlin wird §40 KWG ausser Kraft gesetzt
Warum wir einen alternativen Ecofin brauchen
Eine Richtlinie für Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse?
    Besser nicht!
Zur Lage der europäischen Wirtschaft
Schadensersatz bei Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts?
Einschränkung der Rechte nationaler Aufsichtsbehörden...
    ... bei der Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor

Über diesen Newsletter

Immer mehr Entscheidungen, die unser Leben betreffen, werden in Brüssel getroffen. Gerade in zentralen Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik haben nationale Parlamente nur noch wenig Spielraum. Wie am Fließband werden in der Europäischen Kommission Gesetze und Richtlinien entwickelt, die von den einzelnen Staaten anschließend umgesetzt werden müssen. Wenn in den einzelnen Ländern über die Gesetze diskutiert wird - sofern überhaupt darüber diskutiert wird und sie nicht einfach "durchgewunken" werden - ist es für Protest und Widerstand häufig zu spät.

Mit dem vorliegenden Newsletter möchten wir diesem Mangel an Information entgegenwirken, der seine Ursache einerseits im Demokratiedefizit der europäischen Institutionen und in der mangelnden Transparenz der europäischen Gesetzgebung hat, zum Teil aber auch auf das geringe Interesse deutscher Medien an europäischen Themen zurückzuführen ist.

Wir möchten dazu beitragen, die Kommunikation auf den verschiedenen Ebenen (EU, Bund, Länder, Kommunen) über wichtige wirtschafts- und finanzpolitische Entwicklungen in der EU zu verbessern – mit dem Ziel, auf Fehlentwicklungen und Gefahren früher und besser reagieren zu können.

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft wollen wir zum Anlass nehmen, um künftig jeden Monat über aktuelle Entwicklungen im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlamentes zu informieren. Gleichzeitig werden wir auf wichtige Grün- und Weißbücher der Europäischen Kommission hinweisen, über politische Diskussionen berichten und unseren Standpunkt bzw. den Standpunkt der Linksfraktion im Europäischen Parlament zu verschiedenen wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen erläutern.

Kommunikation ist keine Einbahnstrasse. Angesichts der Fülle der Gesetze und Stellungnahmen, die wir im Ausschuss zu bearbeiten haben, sind wir auf Hinweise und Expertise von außen angewiesen. Andere Abgeordnete, welche die Hilfe von Wirtschaftslobbys und Unternehmensverbänden in Anspruch nehmen, mögen es da leichter haben – allerdings halten wir derartige Formen des „Public-Private-Partnership“ für ausgesprochen problematisch.

Um so mehr würden wir uns freuen, wenn wir von GewerkschafterInnen, von kritischen Abgeordneten aus Bund, Ländern und Kommunen, von Verbraucherschutzverbänden, Umweltverbänden oder interessierten Einzelpersonen Hinweise bekämen, wie wir unsere Arbeit verbessern können und welchen Entwicklungen wir besondere Aufmerksamkeit schenken sollen.

Für Doppelsendungen dieses Newsletters entschuldigen wir uns. Gleichzeitig bitten wir Sie aber, diesen Newsletter an eventuell Interessierte weiterzuleiten. Falls Sie diesen Newsletter abbestellen möchten: Es reicht ein Mausklick (rechts auf dieser Seite).

Viel Spaß bei der Lektüre dieses Newsletters wünscht Ihnen

Sahra Wagenknecht

Europa braucht andere Prioritäten

Das Programm der deutschen Regierung zur EU-Ratspräsidentschaft hat in den letzten Wochen Kontur angenommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bereits verkündet, welche zentralen Projekte sie vorantreiben will: Ganz oben auf der Agenda steht der EU-Verfassungsvertrag, der seit der Ablehnung durch eine Mehrheit der Bevölkerung in Frankreich und den Niederlanden auf Eis liegt. Erklärtes Ziel der deutschen EU-Präsidentschaft ist es, dieser EU-Verfassung, die aufgrund ihres unsozialen, undemokratischen und militaristischen Charakters abgelehnt wurde, neues Leben einzuhauchen. Gegen dieses undemokratische Verfahren muss entschieden protestiert werden. Es darf nicht sein, dass die neoliberale Ausrichtung der EU-Politik mit der Würde und Bindungskraft eines Verfassungsvertrags auf Jahrzehnte festgeschrieben wird! Sowohl der Verfassungsentwurf als auch die bislang ausgehandelten EU-Verträge bedürfen einer radikalen Revision, wenn ein soziales, demokratisches und friedliches Europa Wirklichkeit werden soll.

Um der wachsenden Unzufriedenheit mit der EU zu begegnen, soll ein weiterer Schwerpunkt der deutschen EU-Ratspräsidentschaft auf dem so genannten Bürokratieabbau liegen. Dies hört sich gut an - dahinter verbirgt sich jedoch ein Maßnahmenprogramm zur Stärkung der Großunternehmen. Um deren "Wettbewerbsfähigkeit" zu verbessern und „unnötige Belastungen für Unternehmen zu verhindern“, müssen Regulierungen zugunsten von Beschäftigten oder KonsumentInnen beseitigt werden.

Auch die vollständige Liberalisierung der Postdienste sowie die Vollendung des Binnenmarkts für Strom und Gas stehen unmittelbar auf der Agenda. Dies ist kein Wunder, da sowohl die Deutsche Post als auch Energiekonzerne wie Eon zu den größten europäischen Konzernen zählen, die aufgrund ihrer ökonomischen Stärke von der Marktöffnung am meisten profitieren werden.

Unter dem Vorwand des Klimaschutzes und der Sicherung der europäischen Energieversorgung wird außerdem von Seiten der EU-Kommission massive Werbung für die Nutzung der Atomenergie betrieben. Auch hiervon profitieren in erster Linie europäische Konzerne, die sich von längeren Laufzeiten für ihre überalterten Kraftwerke hohe Profite versprechen.

Schließlich soll der Rüstungsmarkt europaweit "liberalisiert" werden, was mit einer weiteren Aufrüstung der EU verbunden sein wird. Übergeordnetes Ziel ist die „Sicherstellung der europäischen Rohstoffversorgung“, wobei die EU wie die USA der Ansicht zu sein scheint, dass der Zugang zu Rohstoffen in anderen Ländern notfalls durch Kriege oder militärische Erpressung durchgesetzt werden muss.

Mit zukunftsfähiger Politik hat dies alles wenig zu tun. Europa braucht eine andere Politik, die sich an den Bedürfnissen der Menschen und nicht an Konzerninteressen orientiert! Notwendig wäre eine konsequente Friedens- und Abrüstungspolitik statt europaweiter Aufrüstung! Notwendig wäre eine Energiepolitik, die auf Nachhaltigkeit setzt und keine Wiederbelebung der Atomenenergie! Und statt für eine transatlantische Freihandelszone zu werben und die Grundprinzipien neoliberaler Wirtschaftspolitik in Verfassungsform zu gießen wäre eine grundlegende Neuordnung der Europäischen Union vonnöten, in der soziale Rechte Vorrang haben vor dem Recht auf Profitmaximierung.

Sahra Wagenknecht

Armut und Reichtum in Europa

Konferenz am 10. Februar im Europahaus in Berlin, Unter den Linden 78

mit Oskar Lafontaine (MdB), Sahra Wagenknecht, (MdEP), Michael Schlecht (Chefvolkswirt ver.di Bundesvorstand), Ernest Kaltenegger (KP Österreich), Prof. Christoph Butterwegge (Uni Köln); Prof. Hansjörg Herr (FHW Berlin), Prof. Jörg Huffschmid (Uni Bremen, Memorandum-Gruppe), Prof. Hans-Jürgen Krysmanski (Uni Münster), Prof. Gretchen Binus (Berlin), Ulla Lötzer (MdB); Jürgen Klute (WASG Bundesvorstand), Ulrich Müller (LobbyControl), Dr. Heribert Kohl (Büro für wissenschaftliche Publizistik und Politikberatung (BwP), Erkrath), Michael Klundt (Uni Köln).

1992 wurde mit dem Vertrag von Maastricht die Europäische Union gegründet. Die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion würde zu mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa führen, hieß es damals. Doch die von den Neoliberalen verbreiteten Hoffnungen sind nicht aufgegangen. Im Gegenteil: Der Druck auf Löhne und Sozialstandards hat in ganz Europa zugenommen; nicht weniger, sondern weit mehr Menschen sind heute arbeitslos. Gleichzeitig sind die Gewinn- und Vermögenseinkommen explodiert und es haben sich europäische „global player“ formiert, die ihre Marktmacht in der EU rücksichtslos ausnutzen.

Die Konferenz will den 15. Jahrestag der Unterzeichnung des Maastrichter Vertrages zum Anlass nehmen, um gemeinsam mit ExpertInnen aus Wissenschaft, Politik und sozialen Bewegungen über die Entwicklung von Armut und Reichtum in Europa zu diskutieren und über Alternativen zu einem "neoliberalen Europa" nachzudenken.

Wir laden Sie herzlich ein, an der Konferenz teilzunehmen, die am Samstag, den 10. Februar 2007 ab 13 Uhr im Europahaus (Unter den Linden 78, 10117 Berlin) stattfinden wird.

Veranstaltet von der Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL) im Europaparlament.

Um Anmeldung wird gebeten. Kontakt: sahra.wagenknecht@europarl.europa.eu

Über den Tisch gezogen

Im November 2006 startete der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) eine "Petition über öffentliche Dienstleistungen" und sammelt seitdem Unterschriften dafür. Über 15.000 sind inzwischen schon zusammen gekommen.

In der Begründung der Petition heißt es: "Seit mehreren Jahren bereits verfolgt die Europäische Kommission eine Politik der Marktöffnung zur Förderung des Wettbewerbs und des freien Marktes. Nicht selten ging die Liberalisierung mit dem Ersatz einfacher Staatsmonopole durch große Gruppen privater Quasimonopole einher. Ferner führte die Liberalisierung zu einem Abbau des Zugangs zu und mitunter sogar zu einem Abbau der Qualität von öffentlichen Dienstleistungen, was den Verbrauchern keinerlei Nutzen brachte." Und: "Das darf so nicht weitergehen! Die Kommission muss zum Schutz des öffentlichen Gutes handeln! Und aus diesem Grunde hat der EGB in Zusammenarbeit mit seinen angeschlossenen Mitgliedsorganisationen und anderen Partnern den Beschluss gefasst, Unterschriften von Bürgerinnen und Bürger, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit dem Ziel zusammenzutragen, die Kommission dazu zu drängen, einen Gesetzesrahmen zur Wahrung öffentlicher Dienstleistungen zu verabschieden."

Doch diese Initiative wird mit großer Sicherheit ins Leere gehen, denn nicht einmal die europäischen Sozialdemokraten unterstützen aktiv das Anliegen der Petition. Nun kann man durchaus geteilter Ansicht sein, ob ein solcher europäischer Gesetzesrahmen zur Wahrung öffentlicher Dienstleistungen überhaupt sinnvoll ist (vgl. dazu auch meine Thesen zum Berichtsentwurf über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse).

Die Daseinsvorsorge in den Mitgliedsländern der EU ist aufgrund der Traditionen dieser Staaten viel zu unterschiedlich organisiert, als das sie sich in den Rahmen einer europäischen Richtlinie zwängen ließe. Auch kann man dieser Europäischen Kommission, die gerade eine verheerende Dienstleistungsrichtlinie durchgedrückt hat, wohl kaum zutrauen, im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen eine Regelung auf den Weg zu bringen, die den Interessen der Bürger und Arbeitsnehmer, wie sie in der Petition des EGB dargelegt sind, entsprechen. In der Fraktion der Vereinten Linken im EP ist man daher unterschiedlicher Meinung über den Sinn einer solchen Regelung. Nicht jedoch bei den europäischen Sozialdemokraten. Sie haben bisher immer die Forderung nach einem Rahmenbeschluss hochgehalten.

Bei der Formulierung einer Position des Europäischen Parlaments zum Weißbuch der Kommission zu "Dienstleistungen von allgemeinem Interesse" KOM(2004) 374 hätte es für die europäischen Sozialdemokraten nun die Möglichkeit gegeben, den Worten Taten Folgen zu lassen und für diese Position öffentlich wirksam einzutreten, zumal der Berichterstatter mit dem SPD-Europaabgeordneten Bernhard Rapkay auch noch aus ihren Reihen kam. Der von Rapkay entworfene Bericht für den Ausschuss für Wirtschaft und Währung sah diese Forderung denn auch noch vor (vgl. Punkt 5 des Entwurfs).

Doch das war vor den Verhandlungen des Berichterstatters mit den Konservativen von der Europäischen Volkspartei (EVP). Die große Koalition im EP war den Sozialdemokraten denn doch wichtiger als das Festhalten an der eigenen Position. So fiel die Forderung nach einem allgemeinen Rechtsrahmen für öffentliche Dienstleistungen in Kompromissverhandlungen schlicht unter den Tisch. Übrig blieb eine harmlose und völlig unverbindliche Formulierung, wonach "die Kommission rechtliche Klarstellungen, Leitlinien und Grundsätze für eine Reihe von problematischen Punkten unterbreiten sollte." So steht es nun in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 27. September 2006. Und der stimmte die Fraktion der SPE so gut wie geschlossen zu.

Es fragt sich nur, an wenn der EGB gedacht haben mag, als er in die Begründung für seine Petition schrieb, dass er "mit anderen Partnern" sein Anliegen durchzusetzen gewillt sei. Die Sozialdemokraten können da ja wohl kaum gemeint gewesen sein. (aw)

Fauler Kompromiss im Sparkassenstreit

„Wo Sparkasse drauf steht, muss nicht immer Sparkasse drin sein“ – mit dieser Formel ließe sich der Kompromiss beschreiben, der den Streit zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission um die Verwendung des Namens „Sparkasse“ im Dezember 2006 beendet hat. Anscheinend waren beide Seiten daran interessiert, den Konflikt vor dem Start der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu entschärfen. Eine Lösung, die langfristig tragfähig wäre, hat man jedoch nicht erzielt.

Der Kompromiss sieht eine „Insellösung“ für Berlin vor. In Berlin soll auch potentiellen privaten Käufern der Berliner Sparkasse erlaubt sein, den Namen „Sparkasse“ zu verwenden, der nach §40 KWG öffentlich-rechtlichen Instituten mit gemeinwohlorientierter Geschäftspolitik vorbehalten ist. Dafür soll der §40 KWG im Rest der Republik unangetastet bleiben. Doch was passiert, wenn andere Bundesländer beschließen sollten, ihre Sparkassengesetze zu ändern, um Verkäufe zu ermöglichen? Spätestens dann dürfte der Konflikt um §40 KWG wieder eskalieren.

Dass sich ausgerechnet Berlin zur treibenden Kraft bei der Zerstörung des öffentlichen Bankensektors entwickelt hat, geht auf die Krise der Bankgesellschaft Berlin (heute LBB AG) zurück, die seinerzeit mit milliardenschweren Beihilfen gerettet wurde. Da die EU-Kommission darin eine Verzerrung des Wettbewerbs sah, muss das Land Berlin seine Anteile an der Bankgesellschaft bzw. LBB AG veräußern. Nun zählt zur LBB AG auch die Berliner Sparkasse, die mit einem Marktanteil von knapp 50 Prozent das „Filetstück“ des Konzerns darstellt. Und der Wunsch des Berliner Senats, durch einen Verkauf der LBB AG einen Erlös von mindestens 4 Mrd. € zu erzielen, lässt sich nur verwirklichen, wenn auch die Sparkasse mitverkauft wird.

Das Bieterverfahren für die LBB AG hat mittlerweile begonnen; bis zum 5. Februar 07 müssen die potentiellen Käufer ihre Kaufabsichten bekunden. Sollte ein privater Käufer zum Zuge kommen, wäre dies ein Präzedenzfall, der das gesamte Drei-Säulen-System aus privaten Banken, öffentlich-rechtlichen Banken und Genossenschaftsbanken erschüttern und eine Privatisierungswelle bei Sparkassen ins Rollen bringen könnte. Doch auch ein Verkauf der Berliner Sparkasse an den deutschen Sparkassen- und Giroverband brächte Probleme mit sich. Denn das Geld, das die Sparkassen für den Kauf der Berliner Sparkasse aufbringen müssten, stünde für regionale Finanzierungsvorhaben nicht mehr zur Verfügung – mit negativen Folgen auch für die Steuereinnahmen der Kommunen.

Gibt es noch Möglichkeiten, diese Entwicklung abzuwenden? Ja – und der Schlüssel hierzu liegt in Berlin. Der Verkauf der Sparkasse müsste gestoppt und das Berliner Sparkassengesetz in Einklang gebracht werden mit den Gesetzen, die im Rest der Bundesrepublik gelten. Zwar würde man damit  einen neuen Konflikt mit der EU-Kommission riskieren, so dass der Fall womöglich vor dem Europäischen Gerichtshof landet. Doch laut Prof. Bernhard Nagel stehen die Chancen nicht schlecht, einen solchen Rechtsstreit zu gewinnen. Schließlich stellt sich die Frage, ob es für die EU-Kommission so günstig wäre, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft mit einem neuen Vertragsverletzungsverfahren zu belasten. Dem Ziel, der Bevölkerung ein positives Bild von der EU zu vermitteln, käme man so jedenfalls nicht näher – im Gegenteil: Noch mehr Menschen würden sich der einseitigen Ausrichtung europäischer Politik an den Interessen der Großbanken und –konzerne bewusst werden. (lk)

Weitere Artikel zum Thema:

Benedict Ugarte Chacon: Der Verkauf der Berliner Sparkasse. Kritik und Alternativen. September 2006.

Sahra Wagenknecht: Fatale Kontinuität. Der Berliner Bankenskandal geht in die nächste Runde. junge welt vom 15.07.06

Sahra Wagenknecht: Moderne Raubzüge. junge welt vom 01.04.06

Warum wir einen alternativen Ecofin brauchen

Obwohl der Ecofin aufgrund der fortgeschrittenen europäischen Wirtschaftsintegration der mächtigste Ministerrat sein dürfte, erfährt man über seine Tätigkeit in der Öffentlichkeit nur wenig. Dem Ecofin gehören die Wirtschafts- und Finanzminister der EU-Mitgliedsstaaten an, die einmal monatlich zusammentreffen, um sich über wichtige wirtschafts-, währungs- und finanzpolitische Fragen auszutauschen. Zu den wichtigsten Aufgaben des Ecofin zählen die Überwachung der Haushaltspolitik und der öffentlichen Finanzen der EU-Staaten, die europaweite Koordinierung der Wirtschaftspolitik bzw. die wirtschaftspolitische Überwachung sowie die Gestaltung der wirtschaftspolitischen Beziehungen zu Drittländern. Gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank beschäftigt sich der Ecofin außerdem mit währungspolitischen Fragen und Entwicklungen auf den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten.

Am Rande der Ecofin-Sitzung am 30. Januar 2007 nutzte der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück die Gelegenheit, mit den Angeordneten des Ausschusses für Wirtschaft und Währung über das Ecofin-Programm für die deutsche EU-Präsidentschaft 2007 zu diskutieren. So wird der Ecofin in den nächsten Monaten folgende Themen in den Mittelpunkt seiner Arbeit rücken:

1. Die Weiterentwicklung der finanz- und wirtschaftspolitischen Koordinierung.

2. Weitere Schritte zur Vollendung des Binnenmarkts, insbesondere bei Finanzdienstleistungen und Steuern.

3. Verbesserungen in der Qualität der öffentlichen Finanzen in der EU.

Was den letzten Punkt betrifft, so strebt der Ecofin eine „Umstrukturierung der öffentlichen Haushalte zu Gunsten von produktivitäts- und innovationsfördernden Ausgaben an.“ So sollen „Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen des Privatsektors mobilisiert sowie der Wissenstransfer zwischen Universitäten, öffentlichen Forschungseinrichtungen und der Industrie erleichtert werden.“ Bei all dem steht die Frage nach einer „effizienten Mittelverwendung“ im Vordergrund; so soll durch „die Überprüfung neuer Regeln vor deren Einführung sowie die Vereinfachung existierender Regeln … die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln verbessert werden. Dabei wird es insbesondere auch um Fragen der Messung administrativer Kosten gehen.“

Die Folge wird sein, dass Bildung und Forschung noch stärker den Verwertungsinteressen des Kapitals unterworfen werden, weitere Stellen in der Verwaltung gestrichen und Regeln beseitigt werden, die dem Profitstreben großer Konzerne im Weg stehen könnten.

Laut Ecofin-Programm soll die Integration der Finanzmärkte durch „Vereinfachungen und Straffungen des Gemeinschaftsrechts, die weitere Konvergenz im Finanzaufsichtshandeln sowie einen einheitlichen Zahlungsverkehrsraum in der EU“ vorangebracht werden. Noch während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sollen „Fortschritte in der Frage einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage“ erzielt und der Steuerbetrug im europäischen Binnenmarkt bekämpft werden; ferner steht das Thema „Transparenz bei Hedgefonds“ und eine „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Solidität europäischer Versicherungsunternehmen“ auf der Agenda des Ecofin.

Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Rat und im Europäischen Parlament sind größere Fortschritte allerdings weder in Sachen Steuerharmonisierung/Bekämpfung von Steuerbetrug, noch bei der Kontrolle von Hedgefonds zu erwarten.

Allerdings sind die Zeiten vorbei, in denen die Wirtschafts- und Finanzminister ihr Programm ungestört von Protesten und kritischen Diskussionen durchsetzen konnten. Im April 2006 fand in Wien erstmals ein alternativer Ecofin statt, in dem die sozialen Folgen der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik in Form von Massenarbeitslosigkeit und steigender Armut kritisiert und Alternativen für eine demokratischere und sozialere Wirtschaftspolitik eingefordert wurden. Am 20. und 21. April 2007 wird der zweite alternative Ecofin in Berlin stattfinden - organisiert von einem breiten Bündnis aus Gewerkschaften, globalisierungskritischen Bewegungen, kirchlichen Organisationen sowie Entwicklungs- und Umweltorganisationen. (lk)

Eine Richtlinie für Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse?

Im April 2006 hat die Kommission eine Mitteilung zu Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse unter der Überschrift "Umsetzung des Gemeinschaftsprogramms von Lissabon - Die Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse in der Europäischen Union" veröffentlicht KOM(2006) 177.

Die von der Kommission vorgeschlagene Richtung der Veränderungen ist klar. Auch im Bereich der Sozialdienstleistungen soll der Wettbewerb des europäischen Binnenmarktes Einzug halten. Dem dient auch die Einführung des Begriffs "Sozialwirtschaft". Unter Punkt 1.3. der Mitteilung heißt es: "Die europäische Dimension der Sozialdienstleistungen basiert auch auf der Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Dies ergibt sich aus Öffnungs- und Diversifizierungsprozessen, die von den Mitgliedstaaten selbst eingeleitet wurden und die dazu führen, dass ein zunehmender Teil der Sozialdienstleistungen in der Europäischen Union, die bislang direkt von den Behörden verwaltet wurden, jetzt unter Gemeinschaftsvorschriften in den Bereichen Binnenmarkt und Wettbewerb fallen."

Abgestützt wird dieses Vorgehen der Kommission durch verschiedene Urteile des Europäischen Gerichtshofs. So heißt es unter 2.1. "im Bereich des Wettbewerbsrechts hat der Gerichtshof festgelegt, was als Wirtschaftstätigkeit anzusehen ist: 'jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten, unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens und der Art seiner Finanzierung'“.

Zu ihrem weiteren Vorgehen erklärt die Kommission am Schluss: "Die vorliegende Mitteilung stellt einen zusätzlichen Schritt zu einer Berücksichtigung der Besonderheiten der Sozialdienstleistungen auf europäischer Ebene dar. Auf dieser Grundlage wird die Kommission die Konsultation mit den Mitgliedstaaten, Dienstleistern und Nutzern fortsetzen. Ausgehend von diesem offenen Konsultationsprozess, dem die Kommission große Bedeutung beimisst, von den Ergebnissen der laufenden Studie über die Sozialdienstleistungen und den Arbeiten des Sozialschutzausschusses wird die Kommission einen ersten zweijährlichen Bericht vorlegen und die Situation der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse oder bestimmter Sektoren dieses Bereichs unter dem Aspekt der Anwendung des Gemeinschaftsrechts prüfen. Es geht darum, die Vielfalt der Sozialdienstleistungen gemäß der Definition in Absatz 1.1 besser zu berücksichtigen, und zu untersuchen, wie die besonderen Merkmale der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse von der Kommission und den Mitgliedstaaten genutzt werden könnten, um die einem fallweisen Vorgehen innewohnende Rechtsunsicherheit zu verringern. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung wird die Kommission über die weiteren Schritte in diesem Prozess entscheiden und den bestmöglichen Ansatz ins Auge fassen, einschließlich durch Prüfung der Notwendigkeit und rechtlichen Machbarkeit eines Rechtsvorschlags."

Mit anderen Worten: Man wird weiter prüfen und konsultieren. In der Zwischenzeit werden die Sozialdienstleistungen mit Hilfe der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes immer weiteren Einschränkungen ausgesetzt und der Bereich der privaten Sozialdienstleistungsunternehmen gestärkt werden.

Diese Strategie des "Auf die lange Bank Schiebens" will sich das Europäische Parlament nun nicht länger bieten lassen. In einer Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaft und Währung, erstellt von dem SPD-Europaabgeordneten Bernhard Rapkay, vom 19.12.06 heißt es dazu unter 3 "weist darauf hin, dass der Gerichtshof mit seiner Rechtsprechung und die Kommission durch ihre Auslegung in Einzelfällen die geltenden Regeln für diesen Bereich bestimmen und dass deshalb bisher weder die notwendige Rechtssicherheit noch eine angemessene Transparenz erreicht wurden". Bereits in der Entschließung des EP zu dem Weißbuch der Kommission zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (A6-0275/2006) vom 27.09.06 war unter Punkt 17 gefordert worden, "für den Bereich der sozialen Dienste und Gesundheitsdienste von allgemeinem Interesse mehr Rechtssicherheit zu schaffen und einen entsprechenden Vorschlag für eine sektorspezifische Richtlinie des Parlaments und des Rates für die Bereiche, in denen dies angezeigt ist, zu unterbreiten".

Allerdings ist von einer durchweg neoliberal agierenden Kommission wohl kaum eine Richtlinie zu erwarten, die die sozialen Dienstleistungen stützt. Und worauf würde sich dann am Ende eine solche Richtlinie aufbauen? Mit Sicherheit doch auf die verschiedenen Urteile des Europäischen Gerichtshofes, die zu diesem Bereich in letzter Zeit ergangen sind, die dann diesen höchst umstrittenen Urteilen auch noch die Weihe eines Gesetzeswerks geben würden. Was wäre damit gewonnen? Erfolgversprechender wäre doch, dass man diesen Skandal des geschickten Zusammenspiels von Gerichtshof und Kommission endlich öffentlich macht und eine Diskussion darüber eröffnet, dass offenbar bloßes Richterrecht die tragenden Säulen der Sozialsysteme der EU-Mitgliedsländer fortlaufend unterminieren kann.

Die Linken im Ausschuss für Wirtschaft und Währung konnten daher der Strategie des Hoffens auf die Kommission wenig abgewinnen und sprachen sich gegen die Forderung nach einer sektorspezifischen Richtlinie aus (vgl. hierzu auch die Änderungsanträge von Sahra Wagenknecht zur Stellungnahme von Rapkay).

In den nächsten Wochen wird der in diesem Bereich federführende EP-Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten seine Empfehlung aussprechen. Das Parlament wird dann im Frühjahr darüber entscheiden. (aw)

Zur Lage der europäischen Wirtschaft

Unter diesem Titel verabschiedete der Ausschuss für Wirtschaft und Währung am 23.01.07 einen vorbereitenden Bericht über die Grundzüge der Wirtschaftpolitik für 2007. Der Entwurf war von dem SPD-Europaabgeordneten Udo Bullmann vorgelegt worden.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung erstellt jedes Jahr einen Bericht zu den Wirtschaftspolitischen Leitlinien. Die Verantwortung dafür haben - jeweils abwechselnd - Abgeordneter von der SPE - bzw. von der EVP - Fraktion. Für 2006 war der Bericht von dem konservativen spanischen Abgeordneten José Manuel García-Margallo y Marfil ausgearbeitet worden. Dieses Jahr war nun wieder die SPE an der Reihe.

 Über die Bedeutung dieser Stellungnahme des EP für die reale Politik von Kommission und Mitgliedstaaten macht sich auch der Berichterstatter Bullmann wenige Illusionen. In der Begründung des Berichts heißt es dazu denn auch: "Debatten über die Grundzüge der Wirtschaftspolitik haben mittlerweile Tradition im Europäischen Parlament. Diese ist inzwischen genauso lang ist wie die Liste der Empfehlungen, die der Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten nicht übernommen haben. Allein die Tatsache, dass das Parlament auf diese fehlende Kooperation immer wieder hinweisen muss, rechtfertigt die Ausarbeitung eines neuen Berichts, obwohl Kommission und Rat beschlossen haben, die im letzten Jahr vorgelegten Integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung für den Zeitraum 2005-2008 unverändert zu lassen."

 Der Schwerpunkt des Berichts über die Grundzüge der Wirtschaftpolitik für 2007 lag, laut Begründung, "nicht auf einer Auseinandersetzung mit den bestehenden Leitlinien, sondern vielmehr auf deren Umsetzung durch die Mitgliedstaaten angesichts einer in vielerlei Hinsicht neuen ökonomischen Situation". Darüber hinaus wurden erste Empfehlungen für die anstehende Überarbeitung der Leitlinien im kommenden Jahr gegeben.

 Der diesjährige Bericht war gekennzeichnet von dem Versuch, sich von dem aus dem Jahr 2006 abzusetzen, der eine eindeutig neoliberale Handschrift trug. So ist in dem jetzt gefassten Beschluss nun auch die Rede von der "Notwendigkeit, den Wirtschaftsaufschwung durch eine wachstumsfördernde und dabei gleichermaßen export- wie inlandsnachfrageorientierte Wirtschaftspolitik zu unterstützen und zu stärken". Auch wird konstatiert, dass "das Wirtschaftswachstum kein Ziel an sich, sondern Bestandteil eines integrierten Ansatzes ist, der auf das Wohlergehen und die Lebensqualität der Bürger abzielt; in der Erwägung, dass sich das Streben nach nachhaltigem Wachstum auf eine Wirtschafts-, Sozial-, Beschäftigungs-, Umwelt- und Haushaltspolitik stützen muss, die ihrer Verantwortung gegenüber künftigen Generationen gerecht wird und die verschiedenen Voraussetzungen der Mitgliedstaaten achtet." Zudem wurde ein Änderungsantrag der Europaabgeordneten der Vereinten Linken, Sahra Wagenknecht angenommen, in dem auf die wachsende Armut in der EU hingewiesen wird. Danach zeigt sich nun auch der Ausschuss "besorgt über die anhaltend hohe Armutsrate in der EU, deren Tendenz zum Rückgang Mitte der neunziger Jahre, als die Armutsrate von 17 % auf 15 % zurückgegangen war, sich jüngst wieder umgekehrt hat, so dass sie im Jahre 2005 wiederum bei 17 % liegt." Er "hält es daher für unerträglich, dass in der EU-27 ungefähr 80 Millionen Menschen leben, deren verfügbares Einkommen weniger als 60 % des mittleren Äquivalenzeinkommens beträgt" (vgl. Punkt 5 des Beschlusses).

 Doch neben manchem Licht gibt es auch viel Schatten in dem Bericht. Ganz und gar unakzeptabel ist etwa die Formulierung unter Punkt 4 des Entwurfs (jetzt leicht verändert Punkt 7 des Beschlusses), in dem es heißt: "Sieht die europäische Wirtschaft durch die zentralen Errungenschaften der gemeinsamen Währung und des einheitlichen Binnenmarktes gestärkt; fordert die Verwirklichung des Binnenmarktes im Energiesektor durch eine zügige und vollständige Umsetzung der Strom- und Gasrichtlinien; erwartet weitere ökonomische Impulse von einem europäischen Dienstleistungsmarkt, der den diskriminierungsfreien Zugang des Dienstleisters ebenso garantiert wie den Schutz arbeits- und sozialrechtlicher Normen am Ort der Dienstleistungserbringung." Hier hatte die Linke vergeblich Streichung beantragt. Bei der Schlussabstimmung am Ende enthielt sie sich. 

 In der Februarsitzung wird der Bericht im Plenum abgestimmt. Die Linke wird dazu eigene Änderungen einbringen. (aw)

Schadensersatz bei Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts?

Am 23. Januar 2007 hat der Ausschuss für Wirtschaft und Währung einen Berichtsentwurf des Europaabgeordneten Sánchez Presedo über das Grünbuch der Europäischen Kommission zu Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts diskutiert. Sowohl das Grünbuch der Kommission als auch der Berichtsentwurf zielen darauf ab, die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts in der EU zu verbessern, indem man auch Privatpersonen ermöglicht, gegen Verstöße der EU-Wettbewerbsvorschriften zu klagen und Schadensersatz einzufordern.

Zwar hat der Europäische Gerichtshof schon 2001 in der Rechtssache Courage gegen Crehan (Rs. C-453/99) entschieden, dass jeder auf Ersatz des Schadens klagen kann, der ihm durch wettbewerbswidrige Verträge oder Verhaltensweisen entstanden ist. In der Praxis ist es jedoch schwierig, solche Schadensersatzansprüche durchzusetzen, da sich eine kausale Verknüpfung zwischen dem wettbewerbswidrigen Handeln und dem dadurch verursachten Schaden nur schwer beweisen bzw. quantifizieren lässt.

Auf den ersten Blick scheint es daher begrüßenswert zu sein, darüber nachzudenken, wie die Möglichkeiten Privater zur Durchsetzung eigener Schadenersatzansprüche gestärkt werden können. In diesem Zusammenhang hat die Kommission u.a. vorgeschlagen, zu prüfen, ob die Verpflichtung zur Aushändigung von Dokumenten eingeführt werden sollte, ob man die Beweislast des Klägers in Schadenersatzprozessen erleichtern und das Kostenrisiko für den Kläger verringern sollte, ob man auch indirekten Abnehmern – an die der überhöhte Kaufpreis weitergegeben worden sein mag – die Möglichkeit zur Klage geben sollte und ob man zum Schutz der Verbraucher auch Sammelklagen zulassen sollte.

Wie zu erwarten war, stehen große Unternehmens- und Industrieverbände wie der BDI diesen Vorschlägen feindlich gegenüber. Und auch der konservative Europaabgeordnete Lehne warnte im ECON-Ausschuss eindringlich davor, das US-amerikanische Rechtssystem zu kopieren, da dies zu einer Klageflut führen könne, die die europäische Wirtschaft teuer zu stehen käme. Im Gegensatz zur EU, wo die Verhängung von Geldbußen in der EU bislang ein Monopol der nationalen Wettbewerbsbehörden ist, werden die Wettbewerbsvorschriften in den USA in 90 Prozent der Fälle durch private Schadenersatzklagen durchgesetzt, wobei dieser Schadenersatz auf die dreifache Höhe des entstandenen Schadens festgelegt wird.

Doch auch wenn unbestreitbar ist, dass es in der EU keinen wirksamen Schutz gegen wettbewerbswidrige Verhaltensweisen (wie Kartelle) oder die missbräuchlichen Ausnutzung beherrschender Marktstellungen gemäß Artikel 81 und 82 EG Vertrag gibt, stellt sich die Frage, ob die Vorschläge der Kommission zur Erweiterung privater Klagemöglichkeiten geeignet sind, dieses Problem zu lösen. Könnten wettbewerbswidrige Praktiken großer Konzerne durch eine Verschärfung der Kartellgesetze in den Mitgliedstaaten und eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung der Kartellbehörden nicht wirksamer unterbunden werden?

Hinzu kommt, dass sich die Wettbewerbspolitik der EU keineswegs nur gegen den Machtmissbrauch durch private Monopole und Großkonzerne richtet – im Gegenteil: Wie das Handelsblatt berichtete, will EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes nun die Verbundstruktur der deutschen Sparkassen- und Genossenschaftsbanken kartellrechtlich prüfen lassen - obwohl es diese Bankengruppen sind, die für ausreichenden Wettbewerb im deutschen Kreditgewerbe sorgen.

Wie das Beispiel verdeutlicht, zielt die Wettbewerbspolitik der EU in erster Linie auf Deregulierung bzw. auf das Aufbrechen öffentlicher Monopole in zentralen Dienstleistungsbereichen (Post, Telekommunikation, Energie- und Wasserversorgung, ÖPNV usw.) Infolge dieser Liberalisierung ist meist nicht "mehr Wettbewerb" festzustellen, sondern vermachtete Märkte, die von wenigen Großkonzernen dominiert werden. Statt die Vorzüge einer europäischen Wettbewerbspolitik zu preisen und der Kommission weitere Instrumente zur Durchsetzung der Wettbewerbsregeln in die Hand zu geben, sollte man daher lieber dafür kämpfen, dass Leistungen der Daseinsvorsorge nicht länger dem Diktat des "freien Wettbewerbs" unterworfen werden.(lk)

Einschränkung der Rechte nationaler Aufsichtsbehörden...

Am 24. Januar 07 wurde der Berichtsentwurf des liberalen Abgeordneten Wolf Klinz über die aufsichtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor im Ausschuss für Wirtschaft und Währung gegen die Stimmen der Linksfraktion (GUE/NGL) und bei Enthaltung der sozialdemokratischen Fraktion (PSE) angenommen.

In dem Berichtsentwurf, der sich auf eine entsprechende Vorlage der EU-Kommission bezieht, geht es um den Abbau von Hindernissen für grenzüberschreitende Zusammenschlüsse und Übernahmen im Finanzsektor, die aus der Finanzaufsicht der Mitgliedstaaten resultieren. So hatte eine Befragung von „Marktteilnehmern“ durch die EU-Kommission ergeben, dass ein wichtiges Hindernis für die grenzüberschreitende „Konsolidierung“ im europäischen Finanzsektor in der Praxis der nationalen Finanzaufsichtsbehörden zu suchen ist. So beschwerten sich die Finanzkonzerne u.a. darüber, dass die Übermittlung von Unterlagen zu diesen Behörden aufwendig und teuer ist, die Überwachungspraktiken von Land zu Land unterschiedlich sind oder aber die Aufsichtsbehörden ihre Macht missbrauchen, um die Übernahme eines Finanzinstituts zu verzögern oder zu blockieren (vgl. das Arbeitspapier der EU-Kommission zum Thema „Cross-border consolidation in the EU financial sector“ vom 26.10.2005, S. 19ff.)

Derzeit liegt der Marktanteil ausländischer Banken in der Eurozone bei durchschnittlich 24 Prozent. Anders sieht dies in den osteuropäischen Ländern aus, wo sich der Marktanteil ausländischer Banken in nur drei Jahren von 30 Prozent (1998) auf 60 Prozent (2001) verdoppelt hat und mittlerweile bei ca. 70 Prozent liegt. (Quelle: Bank Austria Kreditanstalt (2005): BA-CA Bankenvergleich, S. 17.)

Dass grenzüberschreitende Fusionen und Aufkäufe im Finanzsektor politisch sehr sensible Vorgänge sind, hatte sich zuletzt in Polen gezeigt: Aus Furcht vor einer Einschränkung des Wettbewerbs und erheblichem Stellenabbau hatte sich die polnische Regierung im Februar 2006 der Fusion der bislang zur Hypovereinsbank gehörenden BHP und der Unicredit-Tochter Bank Pekao widersetzt – was zu Konflikten mit der EU-Kommission führte (Vgl. FTD v. 06.02.06).

Mit der Ausnahme von Slowenien und Serbien wird der Bankensektor der mittel- und osteuropäischen Länder mittlerweile von Banken aus Westeuropa (insbesondere Österreich und Italien) dominiert. So liegt der Marktanteil ausländischer Banken an der Bilanzsumme aller Banken in Estland, der Slowakei, Litauen und Kroatien bei über 90 Prozent; in Tschechien und Bulgarien bei 83 bzw. 80 Prozent, in Ungarn bei 77 Prozent (Quelle: Bank Austria Kreditanstalt (2005): BA-CA Bankenvergleich, S.8.).

Mit der Einschränkung der Befugnisse nationaler Aufsichtsbehörden will die EU-Kommission die Möglichkeit der Staaten, auf die Struktur und den Konzentrationsgrad ihres Finanzsektors Einfluss zu nehmen, weiter beschränken. Sie beruft sich dabei auf das europäische Wettbewerbsrecht und die Regeln des Binnenmarkts – ungeachtet der Tatsache, dass die grenzüberschreitenden Fusionen in vielen osteuropäischen Ländern zu einer massiven Konzentration im Bankensektor geführt haben, der mitunter von 2-3 ausländischen Banken beherrscht wird. Die Folgen einer solchen Konzentration können gravierend sein: Finanzdienstleistungen, die kleinen und mittelständischen Unternehmen, ärmeren Bevölkerungsgruppen oder ländlichen Regionen zur Verfügung stehen, werden teurer oder sind gar nicht mehr verfügbar; hinzu kommt, dass durch die Privatisierung und den Verkauf einheimischer Banken auch die Möglichkeiten einer strategischen Agrar- und Industriepolitik massiv reduziert werden.

Wie schon am Beispiel der Attacken der europäischen Kommission auf den deutschen Sparkassensektor zeigt sich auch hier, dass das Recht der großen Finanzkonzerne auf unbeschränkte Expansion für die EU-Kommission weitaus wichtiger ist als das Recht der Bevölkerung auf günstige und allgemein verfügbare Finanzdienstleistungen. (lk)

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Sahra Wagenknecht

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