Informationen aus dem Ausschuss für Wirtschaft und Währung des
Europäischen Parlaments von Sahra Wagenknecht, MdEP, Mitglied in der Konföderalen Fraktion der Vereinten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL).

News from the Committee on Economic and Monetary Affairs (ECON)

22.03.2007

Der Beitrag der Steuerpolitik zur Lissabon-Strategie
Bundesregierung treibt Steuerdumping voran
    Kabinett beschliesst Gesetzentwurf zur Senkung der Unternehmenssteuern
50 Jahre Römische Verträge
    Zeit für ein anderes Europa
Verkauf der Berliner Landesbank
    Wettbewerbskommissarin Kroes fordert Recht auf Arbeitsplatzvernichtung
Ungewohnte Töne im Europäischen Parlament
    Joseph Stiglitz kritisiert EZB und IWF
Steigende Energiepreise
    ...dank Monopolmacht der Energiekonzerne
Kein erleichtertes Fragerecht für Aktionäre

Der Beitrag der Steuerpolitik zur Lissabon-Strategie

Am 21. März stand mein Berichtsentwurf über den Beitrag der Steuerpolitik zur Lissabon-Strategie auf der Agenda des ECON. Seine Kernthese lautet, dass der Steuerwettbewerb in der EU zu einer Verlagerung der Steuerlast auf Beschäftigte und VerbraucherInnen geführt hat, während der Anteil, den Unternehmen, Bezieher von Kapitaleinkommen und Spitzenverdiener zum Steueraufkommen beitragen, deutlich gesunken ist. Dieser Trend trägt zur Verschärfung soziale Ungleichheit bei, verteuert die Schaffung von Arbeitsplätzen und verringert die Konsumnachfrage - und widerspricht insofern auch den Zielen der Lissabon-Strategie, für mehr Wachstum und Beschäftigung zu sorgen.

Der Bericht knüpft an ein Eingeständnis der Europäischen Kommission an, nach der „die fehlende Koordinierung im Bereich der direkten Steuern auch zu unbeabsichtigter Nichtbesteuerung, zu Missbrauch und damit zur Schmälerung der Steuereinnahmen führen kann“ (KOM(2006) 823). Ein gutes Beispiel liefern die Unternehmenssteuern - genauer gesagt die Körperschaftssteuersätze - die in der EU deutlich stärker gefallen sind als in anderen OECD-Ländern. Zwischen 1995 und 2006 wurden die Körperschaftssteuersätze in der EU-15 von 38 % auf 29,5 % reduziert, in den 10 osteuropäischen Ländern fielen sie von 30 % (1995) auf 20% (2006).

Es wäre daher überfällig, den Steuerwettbewerb in der EU einzudämmen und die Unternehmen und Bezieher von Kapitaleinkommen wieder stärker zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben und sozialer Transferleistungen heranzuziehen - doch leider stießen derartige Forderungen bei den größeren Parteien im ECON (Konservative, Liberale, Sozialdemokraten) auf massiven Widerspruch. Einig ist man sich lediglich darin, dass man eine europaweit einheitliche konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) braucht, um mehr Transparenz zu schaffen, was die tatsächlichen Steuersätze betrifft. Doch eine solche Transparenz wird den Steuerwettbewerb nur weiter anheizen, wenn nicht gleichzeitig Schritte zur Angleichung der Steuersätze unternommen werden.

Auf derartige Schritte wird man sich freilich nicht einigen können. Schließlich ist eine große politische Mehrheit weiterhin von den förderlichen Wirkungen des Steuerwettbewerbs überzeugt und verweist auf die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für Steuerpolitik - obwohl die Souveränität in Steuerfragen längst von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs beschränkt wird.

Der Ausweg wird in der Erhöhung von indirekten Steuern gesucht. So ist die Kommission der Ansicht, dass „eine Verlagerung der Besteuerung der Arbeit auf die Besteuerung des Konsums und/oder der Umweltverschmutzung […] helfen (könnte), das Beschäftigungsniveau zu heben“ (KOM(2005) 532). Doch damit trifft man die Ärmsten am meisten, da diese einen höheren Anteil ihres Einkommens für den Konsum (z.B. von Energie- und Heizkosten) aufwenden müssen.

Eine Umverteilung der Einkommen von unten nach oben ist aber in jedem Fall schädlich. Sie unterminiert das soziale Gleichgewicht, verringert die effektive Nachfrage und führt zu ungenutzten Kapazitäten, geringem Wachstum sowie hoher Arbeitslosigkeit. Nötig wären stattdessen eine steuerliche Entlastung von Beschäftigten und VerbraucherInnen, drastische Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuervermeidung in der EU, die Einigung auf Mindestsätze bei Unternehmens- und Vermögenssteuern und - langfristig - eine Angleichung dieser Steuern auf hohem Niveau, eine stärkere Besteuerung von Finanztransaktionen und Luxusgütern sowie eine konsequente ökologische Steuerpolitik, die die Industrie zur Internalisierung externer Kosten anhält.

Sahra Wagenknecht

Bundesregierung treibt Steuerdumping voran

Über 150 Seiten dick ist der Entwurf der Bundesregierung zur Reform der Unternehmenssteuern, der am 14. März vom Kabinett beschlossen wurde. Noch vor der Sommerpause soll der Gesetzentwurf Bundestag und Bundesrat passieren, damit die Reform pünktlich zum 1. Januar 2008 in Kraft treten kann.

Kernstück der Steuerreform ist die Senkung des Körperschaftssteuersatzes von derzeit 25 auf nur noch 15 Prozent. Nach offiziellen Berechnungen wird allein das die Staatskasse zwischen 2008 und 2012 um jährlich etwa 6 Mrd. € erleichtern. Darüber hinaus gibt es Veränderungen bei der Gewerbesteuer, die für die öffentliche Hand ebenfalls mit einem dicken Minus zu Buche schlagen. Obendrein soll eine Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge eingeführt werden, infolge derer Zinsrentiers ihre Einkünfte künftig nicht mehr wie Beschäftigte progressiv versteuern müssen - also mit bis zu 42 Prozent - sondern unabhängig von der Höhe ihrer Einnahmen nur noch mit einem Steuersatz von 25 Prozent.

Sicher, Steinbrücks Präsent enthält auch ein paar Vorschläge zur Gegenfinanzierung. Zum Teil sind das allerdings bloße Hoffnungswerte: So sollen etwa die niedrigeren Steuersätze hier ansässige Konzerne motivieren, einen größeren Teil ihrer Steuern tatsächlich in Deutschland zu zahlen, was in den kühnen Träumen des Finanzministers zu Mehreinnahmen von 3,5 Milliarden führen wird. Andere Gegenfinanzierungsvorschläge wie die modifizierte Zinsschranke, die die Steuerverschiebung mittels konzerninterner Kredite erschweren soll, sowie die Abschaffung der degressiven Abschreibung und der Wegfall des Betriebsausgabenabzugs sind etwas ernster zu nehmen. Aber auch hier werden die Finanzabteilungen der Global Player die Schlupflöcher längst geortet haben.

Die Schätzung von Ver.di, dass Steinbrücks "Reform" ein Loch von wenigstens 10 Milliarden Euro ins Staatssäckel reißen wird, ist daher ganz sicher nicht zu hoch gegriffen. Mit 10 Milliarden Euro hätte sich unversehens die Hälfte der zusätzlichen Einnahmen aus der diesjährigen dreiprozentigen Mehrwertsteuererhöhung in die Taschen der Konzernbosse und ihrer Aktionäre verflüchtigt.

Mit der Umverteilung der Steuerlast zugunsten der großen Unternehmen knüpft der aktuelle Gesetzentwurf nahtlos an jene Reform der Unternehmenssteuern an, die die rot-grüne Bundesregierung kurz nach der Jahrtausendwende verbrochen hatte. Damals waren die öffentlichen Einnahmen aus der Körperschaftssteuer, die insbesondere die großen Aktiengesellschaften zu zahlen haben, innerhalb eines Jahres von 23,6 Milliarden Euro auf negative Werte eingebrochen. Erst seit etwa zwei Jahren trägt diese Steuer überhaupt wieder nennenswert zu den Steuereinnahmen bei. Ihr Aufkommen liegt allerdings nach wie vor unterhalb des Werts, der vor der rot-grünen Steuerreform bereits erreicht war. Trotz ungleich höherer Profite, die in den Kassen der Unternehmen klingeln.

Überdurchschnittlich von Steinbrücks geplanter Reform profitieren werden übrigens nach Einschätzung von Analysten die deutschen Banken, die von den Maßnahmen zur Gegenfinanzierung fast gar nicht betroffen sind. Einer Studie der britischen Großbank HSBC zufolge dürften die Geldinstitute allein durch den steuerlichen Effekt ab 2008 gut 6 Prozent mehr verdienen. Folgerichtig hat Steinbrück starke Verbündete, etwa den Geschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken, Heinz-Udo Schaap, der in Bezug auf die Reformpläne bereits angekündigt hat: „Wir werden für das Projekt werben“.

„Deutschland muss auch in Zukunft im internationalen Steuerwettbewerb bestehen können. Deshalb werden wir in dieser Legislaturperiode zum 1. Januar 2008 das Unternehmensteuerrecht grundlegend fortentwickeln und international wettbewerbsfähige Steuersätze realisieren," so lautet die Rechtfertigung der Bundesregierung für die erneute Geldverschleuderung. Wahr ist daran, dass es einen Steuerdumpingwettlauf in der Europäischen Union tatsächlich gibt. Verlogen ist, wenn sich ausgerechnet die deutsche Regierung als hilflos Getriebener dieses Prozesses darstellt - obwohl gerade die Bundesrepublik zu jenen Ländern gehört, die das europaweite Steuerdumping massiv angeheizt haben und weiter anheizen. So muss selbst die EU-Kommission feststellen, dass in Deutschland die tatsächliche Steuerbelastung von Unternehmens- & Vermögenseinkommen niedriger ist als in allen anderen Staaten der EU-15 (nur Griechenland ausgenommen), ausserdem ist sie hier seit 1995 am stärksten abgesenkt worden (Vgl. auch Jarass/Obermair (2006): Unternehmenssteuerreform 2008). Würde man die tatsächliche Besteuerung der Unternehmensgewinne auch nur auf europäisches Normalniveau anheben, hätte der deutsche Fiskus mindestens 20 Mrd. € mehr zur Verfügung (Vgl. die wirtschaftspolitische Information von ver.di, Nr.4/2006). Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 2 Prozentpunkte hätte man sich dann sparen können.

Sahra Wagenknecht

50 Jahre Römische Verträge

Ein halbes Jahrhundert nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25. März 1957 ist klar: Der europäische Integrationsprozess darf nicht weitergehen wie bisher. Eine EU, deren Politik in erster Linie von Lobbyisten des Großen Kapitals wie dem European Roundtable of Industrialists gestaltet wird, widerspricht zutiefst den Interessen der großen Mehrheit der Menschen. Es ist Zeit für eine soziale und demokratische Neugründung der Union!

Die europäische Integration begann unter dem Eindruck der grauenvollen Zerstörungen des von Deutschland angezettelten Zweiten Weltkriegs. Vor diesem Hintergrund hatte das Integrationsprojekt nicht zuletzt das Ziel, durch wirtschaftliche und politische Einbindung einen erneuten Hegemonieanspruch Deutschlands zu verhindern. Gleichzeitig waren die Römischen Verträge ein Produkt des Kalten Krieges: So schuf das neue Wirtschaftsbündnis einen Gegenpol zu den sozialistischen Staaten in Osteuropa, die sich bereits 1949 - als Reaktion auf den Marshallplan - im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe zusammengeschlossen hatten.

Mit dem Wegfall der osteuropäischen Alternative und der Schwächung linker Kräfte in der EU schwand auch der Druck, der das westeuropäische Nachkriegsmodell eines sozial gezügelten Kapitalismus möglich gemacht hatte. Spätestens mit dem Maastricht-Vertrag Anfang der neunziger Jahre verschrieb sich die EU endgültig einem neoliberalen Projekt. Deregulierung und die verschärfte Konkurrenz im Binnenmarkt hatten Lohndumping und die massenhafte Vernichtung von Arbeitsplätzen zur Folge. Mit Verweis auf die Maastricht-Kriterien setzte sich ein rabiater Sparkurs durch, der einen willkommenen Vorwand für Sozialkahlschlag und den Ausverkauf öffentlichen Eigentums lieferte. Große Profiteure waren die europäischen Konzerne, die neue Märkte erobern und ihre Macht durch grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen ausbauen konnten.

Auch der Beitritt der osteuropäischen Staaten wurde vor allem als Chance begriffen, neue Absatzmärkte und Niedriglohnstandorte zu erschließen. Auf eine Politik zur Angleichung von Lohn-, Sozial- und Steuerstandards auf oberem Niveau wurde im Rahmen des neoliberalen Binnenmarktprojekts bewusst verzichtet.

In der Folge sind die Steuern auf Unternehmensgewinne und Kapitaleinkommen in Ost wie West gravierend gesunken. Im Gegenzug wurden die Verbrauchssteuern erhöht, die Geringverdiener weit überproportional belasten. Große Teile des osteuropäischen Bank- und Versicherungswesens, des Telekommunikations- und Energiesektors, aber auch des Einzelhandels sind inzwischen in der Hand westeuropäischer Unternehmen. Die Lohnquote fällt. Mit der Dienstleistungsrichtlinie wird der Druck auf die Löhne weiter zunehmen, auch zahlreiche Regelungen zum Gesundheits- und Verbraucherschutz werden dem Profitinteresse zum Opfer fallen.

Es ist daher kein Zufall, dass in der heutigen EU die Gewinne der Konzerne und die privaten Vermögenseinkommen ebenso wachsen wie Armut, soziale Ausgrenzung und prekäre Beschäftigung. Unterstützt wurde die EU-weite Umverteilung von unten nach oben von einer Geld- und Währungspolitik, die soziale Belange zur Nebensache und Preisstabilität zum Allheilmittel erklärte. Deutlich wird die kapitalhörige Ausrichtung schließlich im EU-Verfassungsvertrag: Während soziale Belange keinen verbindlichen Platz haben, soll die EU auf einen freien Markt mit offenem Wettbewerb festgelegt werden.

Ein "Weiter so!" bedeutet insofern nichts anderes als ein Ja zu einem Europa des entfesselten Kapitalismus mit Massenentlassungen, Privatisierung, Deregulierung und Sozialabbau. Die Ergebnisse der Referenden in Frankreich und den Niederlanden zeigen, dass es inzwischen Mehrheiten sind, die das neoliberale Projekt ablehnen. Auch Umfragen belegen das. Die Gefahr, dass reaktionäre, nationalistische Kräfte solche Stimmungen für sich ausnutzen, ist nicht gering. Umso mehr müssen wir das Gegenkonzept eines sozialen Europa verteidigen. Es muss Schluss sein mit einem Wettlauf der Standards nach unten und dem Ausspielen der Beschäftigten unterschiedlicher Standorte. Wir brauchen eine europaweite starke Gegenbewegung für eine Wirtschaftsordnung, die sich nicht an Profiten, sondern an den Bedürfnissen der Menschen orientiert.

Sahra Wagenknecht

Verkauf der Berliner Landesbank

Das Bieterverfahren für die Berliner Landesbank geht in die heiße Phase: Bis zum 22. März läuft die Frist für die Abgabe unverbindlicher Gebote. 14 Bieter sind noch im Rennen, darunter der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, der bis Anfang März über 400 der bundesweit rund 450 Sparkassen überzeugen konnte, Kapital für den Kauf der LBB AG zu mobilisieren.

Ob das Gebot der Sparkassen hoch genug ausfallen wird, wird sich nun zeigen. Derzeit wird die LBB AG an der Börse mit 7,5 Mrd. Euro bewertet, auf den Anteil des Landes Berlin entfallen folglich gut 6 Mrd. Euro. Vergleichbar hoch – etwa 6,5 Mrd. Euro - sind die Belastungen des Landes Berlin, die sich aus den missglückten Immobiliengeschäften der früheren Berliner Bankgesellschaft ergeben. Um die Ansprüche der ca. 69.000 Anleger zu befriedigen, die seinerzeit mit üppigen Garantien zum Kauf von Immobilienfonds angeregt wurden, möchte der Berliner Senat offenbar vor allem eins: einen möglichst hohen Kaufpreis für die LBB AG erzielen.

Der Versuch des Berliner Abgeordnetenhauses, den Käufer der Berliner Landesbank per Vertrag zur Einhaltung sozialpolitischer Auflagen zu zwingen, ist dagegen von der mit dem Bieterverfahren betrauten UBS-Bank als bloße "politische Meinungsäußerung" eingestuft worden. Zwar hat das Berliner Abgeordnetenhaus am 8. März einen Antrag der SPD und PDS verabschiedet, nach dem der Käufer der LBB AG dazu verpflichtet werden soll, die Arbeitsplätze der MitarbeiterInnen der LBB AG langfristig zu sichern, den Unternehmenssitz in Berlin zu belassen und ein Girokonto für alle anzubieten.

Nach Ansicht von EU-Kommissarin Kroes widerspricht dies jedoch den Auflagen für einen diskriminierungsfreien Verkauf: In einem Brief an Finanzminister Steinbrück drohte Kroes gar mit einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, wenn den potentiellen Käufern nicht bis zum 16. März garantiert würde, dass sie zu Arbeitsplatz- oder Standortgarantien nicht verpflichtet sind. Wie zu erwarten war, hat Berlin dem Druck aus Brüssel auch diesmal nachgegeben und klargestellt, dass der Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses für den Senat „keine bindende Wirkung“ hat.

Der Vorgang zeigt, wie sehr die EU-Kommission jede sich bietende Gelegenheit nutzt, um die Interessen der privaten Bankenlobby durchzusetzen. Dass die Forderungen der EU jeder Rechtsgrundlage entbehren und auch früheren Stellungnahmen der Kommission widersprechen, nach denen die „Namensnutzung durch private Banken“ sehr wohl von der „Erfüllung bestimmter Gemeinwohlverpflichtungen, wie sie von öffentlich-rechtlichen Sparkasseninstituten gefordert werden, abhängig gemacht“ werden darf, scheint dabei niemanden zu stören.

Dabei dürfte doch langsam klar sein: Wer jedem Druck der EU-Kommission nachgibt, nur um den Verkauf der Berliner Landesbank reibungslos über die Bühne zu bringen, setzt den Bestand des öffentlich-rechtlichen Bankensektors in ganz Deutschland aufs Spiel. Es ist daher höchste Zeit, die mit immer dreisteren Forderungen aufwartende EU-Kommission endlich in ihre Schranken zu weisen und – z.B. durch eine Änderung des Berliner Sparkassengesetzes - zu verhindern, dass Berlin zum Einfallstor für eine flächendeckende Privatisierungswelle bei Sparkassen und Landesbanken wird.

Sahra Wagenknecht 

Ungewohnte Töne im Europäischen Parlament

Bereits zum dritten Mal kamen auf Einladung des ECON-Ausschusses Wirtschaftspolitiker der nationalen Parlamente und Europaabgeordnete zu einem zweitägigen Dialog zusammen. Diesmal lautete der Titel „Der Euroraum – Konvergenz oder Divergenz?“ Neben Parlamentariern aus den Mitgliedstaaten, Jean-Claude Trichet von der EZB, Jean-Claude Juncker von der Eurogruppe und dem für Währungspolitik zuständigen Kommissar Joaquín Almunia waren diesmal auch unabhängige Experten wie Joseph Stiglitz oder Philipp Ahgion (Professor für Wirtschaftswissenschaften am Institut d´Etudes Politique de Paris) eingeladen, ihre Ansichten darzulegen.

An den letztgenannten Referenten lag es auch, dass die Anhörung diesmal nicht auf langatmige und langweile Vorträge beschränkt blieb. So kam Philippe Aghion am Ende seines Vortrags zu dem Schluss, dass die Europäische Union vor allem drei wirtschaftliche Reformschritte benötige: 1. Eine politische Festlegung des Inflationsziels und der Wechselkurspolitik; 2. Eine „Goldene Regel“ für öffentliche Finanzen, die die Finanzierung von Investitionen durch Kreditaufnahme möglich macht; 3. Ein pragmatischeres Herangehen an Wettbewerbspolitik, das es erlaubt, eine wirkliche Industriepolitik zu betreiben. All diese Ziele stehen gegenwärtig außerhalb des gängigen neoliberalen Mainstreams der Parlamentsmehrheit und waren daher für die anwesenden Europaparlamentarier ganz und gar ungewohnte Töne.

Doch es kam für sie noch ungemütlicher. Dafür sorgte Joseph Stiglitz, Professor für Volkswirtschaft an der Columbia University und einer der letzten verbliebenen namhaften Keynesianer auf einem bedeutenden Lehrstuhl. In Anwesenheit des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, sparte er nicht mit ketzerischen Anmerkungen zu den Merkwürdigkeiten und Ungereimtheiten der europäischen Wirtschaftsverfassung. Zu der auch vom Parlament so hochgehaltenen Unabhängigkeit der EZB fiel ihm nur ein, dass man „Technokraten schließlich auch nicht die Steuerpolitik überlasse...Wieso überlasse man dann ausgerechnet solchen Leuten die Währungspolitik?“ Den zentralen Unterschied zwischen der US – amerikanischen Federal Reserve und der EZB sieht er darin, dass die Federal Reserve eine „Kreatur von Repräsentantenhaus und Senat sei und diese sie jederzeit auch wieder abschaffen könne“. Er, Stiglitz, wundere sich über den großen Einfluss, den Vertreter der Finanzmärkte auf die Politik der Europäischen Zentralbank haben, während Gewerkschaftsvertreter hingegen ausgeschlossen seien.

Einigermaßen ungewohnt für die Ohren von gewöhnlichen Europaparlamentariern dürften auch Stiglitz` Einschätzungen gewesen sein, dass die Liberalisierung Auslöser für die Finanzmarktkrisen ist, da „die Märkte aus sich heraus nicht stabil sind“, die Gruppe der G 8 um China erweitert werden sollte und der Internationale Weltwährungsfonds in den letzten Jahren so gut wie alles falsch gemacht habe.

Angesichts von solchen Argumenten, die so gar nicht in das wohlgeordnete neoliberale Weltbild passen, verschlug es den meisten Abgeordneten dann und auch glatt die Sprache, und so zogen sie es vor zu schweigen. Eigentlich keine schlechte Haltung, um zu neuen Einsichten kommen zu können. Vorausgesetzt allerdings, man ist auch bereit dazu. (aw)

Steigende Energiepreise

Dank eines anonymen Informanten, der detaillierte Statistiken über die Geschäfte an der Leipziger Strombörse EEX weitergegeben hat, wird man hoffentlich bald beweisen können, was viele schon lange vermutet haben: Die vier großen deutschen Energiekonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW nutzen ihre Monopolmacht gezielt aus, um den Strompreis in die Höhe zu treiben. (Vgl. Der Spiegel vom 12.03.07).

Die Nachricht dürfte den Energieriesen sehr ungelegen kommen. Bereits im Dezember hatten Ermittler der EU-Kommission und des Bundeskartellamtes die Büros der vier größten deutschen Energiekonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW durchsucht, um Beweise für wettbewerbswidrige Absprachen zu finden. Und da man bis Mitte 2007 einen Binnenmarkt für Strom und Gas schaffen will, in dem alle Industrie- und Haushaltskunden ihren Strom- und Gasversorger frei wählen können, hat man auf dem EU-Gipfel vom 8. und 9. März noch einmal bekräftigt, dass Schritte zur Entflechtung der Energiekonzerne (bzw. eine Trennung der Versorgung und Erzeugung vom Betrieb der Netze) unternommen werden müssen.

Wie nötig es ist, gegen die Preistreiberei der Energiekonzerne vorzugehen, zeigen Daten des Statistischen Bundesamts, nach denen die privaten Haushalte im Jahr 2005 im Schnitt knapp 10 Prozent mehr für Energie ausgegeben haben. Seit Beginn der Liberalisierung der Energiemärkte im Jahr 1996 sind die Energiekosten pro Haushalt in Deutschland von durchschnittlich 1.859 € auf 2.308 € (2005) gestiegen (BMU/BMWi 2006: 26), in den Ländern der EU-15 haben die Strompreise zwischen Januar 2000 und Januar 2006 um insgesamt 9% (für die privaten Haushalte) bzw. um 31% (für die Industrie) zugelegt (Eurostat 2006).

Dass dieser Trend mit der Preisentwicklung auf dem Weltmarkt weitaus weniger zu tun hat als mit der Monopolmacht der großen Anbieter, zeigen die sprudelnden Gewinne der Energiekonzerne: So fuhr E.ON im Jahr 2005 7,3 Mrd. € Gewinn ein – 71 Prozent mehr als ein Jahr zuvor; im Jahr 2006 erfolgte eine weitere Gewinnsteigerung um 20 Prozent auf 8,2 Mrd. €. Auch Hauptrivale RWE gelang es, seinen Nettogewinn im Jahr 2006 um satte 72,4 Prozent auf 3,87 Mrd. € zu steigern.

Maßnahmen zur Begrenzung der Marktmacht der großen Energiekonzerne sind vor diesem Hintergrund mehr als überfällig. Die Forderung der EU nach Trennung der Energieversorger von ihren Netzen ist also durchaus begrüßenswert - sofern sie die großen privaten Energiekonzerne betrifft. Allerdings kann eingewandt werden, dass eine solche Trennung in Deutschland auch bzw. vor allem die kleinen Anbieter treffen würde. Da viele der 700 kleinen und mittleren Stadtwerke ohne ihr kommunales Gebietsmonopol nicht überlebensfähig wären, würde eine eigentumsrechtliche Entflechtung nach Einschätzung von ver.di eine "dramatische Verschärfung des Konzentrationsprozesses bei den Energieversorgern durch Fusionen und Übernahmen" nach sich ziehen. "Im Ergebnis würde dieses in Deutschland zu nicht mehr sondern wesentlich weniger Wettbewerb, in der Folge zu höheren Preisen und einem Rückgang der Versorgungssicherheit durch das Ausbleiben von notwendigen Netzinvestitionen führen."

Statt die Liberalisierung der Märkte für Strom und Gas weiter voranzutreiben und zu überlegen, wie man das Versagen intransparenter Strombörsen künftig verhindern kann, wäre es daher sinnvoller, über eine Rückführung der Energiewirtschaft in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle nachzudenken. Denn was hat die Liberalisierung des Energiesektors bislang gebracht? Sie hat eine gewaltige Fusionswelle in Gang gesetzt, in deren Zuge die Marktmacht der großen Energiekonzerne enorm gewachsen ist. Dabei war der deutsche Strommarkt „bereits vor der Liberalisierung des Jahres 1998 …durch einen im Vergleich zu anderen Branchen hohen Grad horizontaler Konzentration auf der Erzeugungsebene und durch eine vergleichsweise ausgeprägte vertikale Integration über die verschiedenen Wertschöpfungsstufen gekennzeichnet. Durch die nach der Liberalisierung zu verzeichnende Fusionstätigkeit hat die Konzentration seither zugenommen. Die Zahl der Verbundunternehmen hat sich durch horizontale Unternehmenszusammenschlüsse von 8 auf 4 vermindert (RWE, E.ON, Vattenfall Europe, EnBW). Auch die vertikale Konzentration hat zugenommen.“(BMU/BMWi 2006: 36)

Schätzungen zufolge befinden sich inzwischen etwa 60 Prozent der europäischen Stromkapazitäten in der Hand von sechs großen Unternehmen. Betrachtet man lediglich die Eurozone, so sind es gar nur drei Unternehmen (EdF, E.ON und RWE), die gemeinsam etwa 60 Prozent des Stroms erzeugen. Und sollte die Übernahme des spanischen Versorgers Endesa durch E.ON gelingen, würde mehr als die Hälfte der Stromproduktion in der Eurozone und mehr als ein Drittel der Stromproduktion in der EU-27 auf lediglich zwei Unternehmen (EdF und E.ON) entfallen.

Der in der Presse erweckte Eindruck, die EU-Kommission wolle die großen Energiekonzerne „zerschlagen“ und auf diese Weise für „mehr Wettbewerb“ sorgen, trügt also. Denn im Kern geht es bei der Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte darum, noch bestehende Hindernisse für die weitere Expansion der großen Energiekonzerne aus dem Weg zu räumen. So sollen grenzüberschreitende Megafusionen wie der geplante Kauf des spanischen Energiekonzerns Endesa durch E.ON in Zukunft schneller und einfacher über die Bühne gehen – auch wenn dadurch die Konzentration im europäischen Energiesektor noch weiter zunimmt. (lk)

Kein erleichtertes Fragerecht für Aktionäre

Am 15. Februar verabschiedete das Europäische Parlament neue Regelungen über die Ausübung des Stimmrechts durch Anteilseigner von Aktiengesellschaften, genauer gesagt „von Gesellschaften, die ihren eingetragenen Sitz in einem Mitgliedstaat haben und deren Aktien zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind“. Der Bericht wurde vom Rechtsausschuss des EP (Berichterstatter dort der CDU-Europaabgeordnete Klaus-Heiner Lehne) und, in Anwendung des Verfahrens der verstärkten Zusammenarbeit zwischen Ausschüssen, auch vom Ausschuss für Wirtschaft und Währung (hier war Berichterstatter der FDP-Europaabgeordnete Wolf Klinz) erstellt.

Ziel des Vorschlags der Kommission war es, durch Schaffung EU-weit gültiger Mindeststandards den Anteilseignern die Möglichkeit zur Abstimmung zu erleichtern, etwa durch eine Stimmrechtsvertretung oder durch elektronische Abstimmungsverfahren. Vor allem ausländische Aktionäre haben gegenwärtig Schwierigkeiten, ihre Rechte grenzüberschreitend wahrzunehmen.

Vorgesehen war in dem Kommissionsvorschlag auch die Erleichterung des Fragerechts des Aktionäre. Im Entwurf hieß es dazu in Artikel 9: „Die Aktionäre haben das Recht, auf der Hauptversammlung mündlich Fragen zu stellen und/oder dies vor der Hauptversammlung in schriftlicher oder elektronischer Form zu tun.“ Und in Absatz 3 des Kommissionsvorschlags hieß es: „Die Antworten auf die Fragen der Aktionäre im Sinne von Absatz 1 sind allen Aktionären auf der Internet-Webseite des Emittenten zur Verfügung zu stellen.“ Diese Erweiterung des Fragerechts wäre vor allem kritischen Aktionären zugute gekommen, die etwa den Vorstand von Bayer einmal befragen wollen, warum denn das Unternehmen alles unternommen hat, um die europäische Richtlinie zur Überprüfung von Chemikalien (bekannt geworden unter der Abkürzung REACH) zu verwässern.

Dies ging aber den Unternehmen viel zu weit. Die mächtige Interessensvereinigung des europäischen Kapitals UNICE, die seit Januar 2007 unter dem Namen "Business Europe" auftritt, erklärte in einer Stellungnahme zum Artikel 9 des Kommissionsvorschlags: „Der von der Kommission vorgeschlagene Minimalstandard ist nicht befriedigend und lässt zu viel Spielraum für Missbrauch“. Noch unter finnischem Vorsitz reagierte der Rat umgehend und erklärte seine Bereitschaft zum Einlenken, d.h. zur Abänderung des Kommissionsvorschlags.

Da aber zur Annahme der Richtlinie auch die Zustimmung des Europäischen Parlaments notwendig ist, kam es hier auch auf die entsprechende Stellungnahme an. Die beiden Berichterstatter Lehne und Klinz formulierten denn auch ganz im Sinne von UNICE ihre Änderungsanträge. Im vom EP beschlossenen Text heißt es jetzt zu Artikel 9: „Jeder Aktionär hat das Recht, Fragen zu Punkten auf der Tagesordnung zu stellen.“ Damit ist das Fragerecht nur noch auf die von oben vorgegebenen Tagesordnungspunkte der Hauptversammlung beschränkt. Auch die Verpflichtung zur Beantwortung wurde deutlich abgeschwächt. Und der von der Kommission vorgeschlagne Absatz 3, in dem die Antworten auf die Fragen der Aktionäre allen „Aktionären auf der Internet-Webseite des Emittenten zur Verfügung gestellt“ werden sollen, fiel gleich ganz weg. Da sich der Rat mit diesen Änderungen bereits im Vorfeld einverstanden erklärt hatte, war diese erste Lesung des Europäischen Parlaments zugleich auch die letzte. Verhandlungen zwischen Rat und Parlament sind damit überflüssig.

Unter der Überschrift „Brüssel weicht Schutz von Aktionären auf“ konnte man bereits vor der Abstimmung im EP am 4. Oktober 2007 in der Financial Times Deutschland dementsprechend lesen: „Im Ringen um die Aktionärsrechte auf Hauptversammlungen haben sich die europäischen Unternehmen durchgesetzt. Sowohl unter den Mitgliedstaaten als auch im Europäischen Parlament zeichnet sich eine Mehrheit gegen das von der Europäischen Kommission angepeilte Fragerecht für Anleger ab.“

Es bleibt nur nachzutragen, dass sich sowohl Sozialdemokraten als auch Grüne an dieser Verwässerung des Fragerechts nicht störten. Die Abgeordneten der Vereinten Linken konnten hingegen diesem so geänderten Vorschlag ihre Zustimmung nicht geben. (aw)

Redaktion

Impressum

Sahra Wagenknecht

MdEP, Koordinatorin für die Fraktion GUE/NGL im Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments

Parlament Européen
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B-1047 Brüssel
Belgien
fon: +32-2-284 56 19
fax: +32-2-284 96 19

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